Die vier Phasen.

Ich habe Glück gehabt.
Man sagt, dass es im Leben eines Mediziners vier Phasen gibt:
Phase Eins: die berechtigte Unsicherheit

Der Medizinstudent hat viel gelesen, andere vieles machen sehen und kann eigentlich selber so richtig noch gar nichts außer Fragen stellen. Das weiß er, deshalb ist er vorsichtig, deshalb ist er unsicher.

Phase Zwei: die unberechtigten Sicherheit

Statistisch passieren die schlimmsten Fehler im dritten und vierten Ausbildungsjahr. Man fühlt sich groß und stark, hat so die eine oder andere Unwegbarkeit umschifft und denkt sich – na, was so ein Oberarzt kann, kann ICH schon lange. Die Unsicherheit der ersten Jahre ist verflogen, wurde ersetzt durch erfolgreiche Erlebnisse, gestärkt durch das Vertrauen in wachsende, eigene Fähigkeiten. Was noch fehlt ist z.B. der fundierte klinische Blick wie ihn Schwester Sabine (25 Dienstjahre auf der Intensiv) drauf hat. Oder die Ruhe eines Oberarztes bei der schwierigen Intubation wenn die Sättigungswerte sich der Raumtemperatur nähern. Und die Coolness den Tubus auch dann richtig zu versenken wenn alle hektisch werden. In dieser Phase passieren die meisten, wirklich schlimmen Fehler.

Phase Drei: die berechtigte Sicherheit

Oberarzt, seit 5 Jahren im gleichen Haus, mit jeder Schraube per Du. Katheter fallen dahin, wo sie hin sollen, außer bräsigen QM-Vorschriften und dem alljährlichen Rezertifizierungstrara bringt einen eigentlich so gar nichts mehr aus der Ruhe.

Phase Vier: die unberechtigte Unsicherheit

Schaffe ich den Wechsel in die Praxis? Kriege ich das noch hin mit der Umstellung? Soll ich den Posten als Leiter der Dingsbumsologie übernehmen? Bin ich dafür geeignet?
Die Antwort: Ja.

Ich befinde mich am Rande von Phase Zwei und hoffe, dass der Weg bis zur Phase Drei nicht mehr so weit ist.