Wünsche für Weihnachten

Man stelle sich vor ich hätte ein paar Wünsche frei. Nicht drei Nüsse für Aschenbrödel sondern drei Gutscheine für den Narkosedoc. Ich hätte sehr schnell ein paar konkrete Wünsche:  

  1. Mehr Geld für mehr Personal
    Eigentlich wissen wir seit Jahren, dass es so nicht mehr weiter geht. Lücken im Dienstplan, unterbesetzte Stationen, Telefone bei denen keiner mehr abhebt. Ich erinnere mich noch an die ersten Honorarnotärzte. Wir hielten es für eine kurzfristige Notlösung. Sicher nichts von Dauer, eine außergewöhnliche Situation. Mittlerweile werden ganze Notarztstandorte ganzjährig und ausschließlich von Honorarkräften versorgt. Keine geregelte Fortbildung, es ist ein reines Glücksspiel ob und wer mit welcher Kompetenz auf dem Auto sitzt. Wir akzeptieren das nicht nur seit Jahren, wir haben uns daran gewöhnt.
    Rentner und solche die es nicht mehr in der Klinik aushalten schlagen sich mit Honorardiensten auf diesen Notarztstandorten durch. Tagtäglich werden uns Patienten in Begleitung eines Notarztes in die Klinik gebracht und man fragt sich ob und wenn ja was diese Kollegen studiert haben. Es tut mir weh zu sehen, wie meine große Leidenschaft – die Notfallmedizin – von diesen Kollegen vorgeführt wird.
    Ja, es gibt auch die positiven Beispiele, klar. Aber ich habe nicht mehr die Kraft dazu mich über das zu freuen, was gut läuft. Ich ärgere mich, weil ich sehe wie die Medizin den Bach runter geht. Ich würde mir wünschen, dass wir lauter werden und deutlich sagen was alles schon längst nicht mehr läuft. Wir müssen uns davon verabschieden immer noch mehr Dienste zu übernehmen, auf Pausen zu verzichten, unzählige Überstunden zu arbeiten um irgendwie den Laden am Laufen zu halten. Es braucht mutige Pflegekräfte, Rettungsdienstmitarbeiter und Ärzte die sagen was ist.
    Defizite müssen benannt werden, Lösungen erarbeitet werden.
    Es ist keine Zeit mehr zu überlegen, Arbeitskreise zu bilden und auf ein Wunder zu hoffen. Wir brauchen mutige Entscheidungen, Geldspritzen die ihren Namen verdienen, nicht bloß einen Tropfen auf den heißen Stein. Kein Aktionismus sondern echte Maßnahmen. Das wird nicht billig, das wird sogar sehr teuer und das auf Jahre. Wir müssen uns ehrlich überlegen ob wir das wollen. Wenn nicht, ist das auch okay für mich, aber dann soll man das auch so sagen. Ich kann diesen Sparwahnsinn überall nicht mehr hören, es gibt nichts mehr zu sparen, es ist alles kaputt gespart.
    Wir sind ein Krankenhaus, kein Wirtschaftsunternehmen. Ich bin es leid mit der Verwaltung zu diskutieren, ich bin müde Politikern zuhören zu müssen die beschwichtigen und vertrösten.
    Wir brauchen mehr Geld, mehr Personal, mehr Ausbildung und eine bessere Lehre. Das wünsche ich mir. 
  2. Notfallsanitäter die im Notfall Sanitäter sein dürfen
    Wir haben dieses Jahr Felix Peter kennen gelernt und Doc Karo und andere. Ich kenne viele dieser Felix Peters in unserem Land. Notfallsanitäter die eine dreijährige Ausbildung gemacht haben, deren ganze Leidenschaft die Notfallmedizin ist. Experten die das nicht als Honorarjob zur Aufstockung der Rente machen (s.o.) sondern weil sie sich dem Dienst am Not leidenden Menschen verpflichtet fühlen. Sie riskieren ihr Leben und rasen mit Blaulicht und Horn zu Menschen in Not um Leiden zu lindern. Wir müssen Ihnen vertrauen und wir brauchen mutige ärztliche Leiter im Rettungsdienst die für ihre NFS die SAA (Standardarbeitsanweisungen) und BPR (Behandlungspfade Rettungsdienst) freigeben mit denen Kompetenzen gestärkt werden.
    Wir brauchen mehr und bessere Notärzte, Notärzte die einen echten Benefit darstellen, wenn sie dazu kommen. Notärzte brauchen wir nicht für Schmerztherapie, Schlaganfall und Herzinfarkt – das können unsere NFS selber (und meist besser als das was da draußen an Notärzten mancherorten rumfährt…). Wir brauchen NFS die selbständig arbeiten und echte Notärzte die beispielsweise per Helikopter überregional dazu kommen wenn es nötig ist. Notärzte die wissen wie man zügig eine Thoraxdrainage anlegt, was im Kindernotfall zu tun ist und die sich regelmäßig fortbilden und ihre Fachkenntnisse jährlich unter Beweis stellen müssen.
    Wir haben genug Bedenkenträger, es wird sich nichts ändern wenn man immer nach Gründen sucht warum man etwas nicht machen sollte. Wir brauchen mutige Entscheidungen, Leute die voran gehen, so wie die ÄLRD in Berlin, die mit ihren SAA wirklich etwas bewegen. Das wünsche ich mir. 
  3. Mehr Respekt und mehr Geld für Pflegekräfte
    Ich sehe es jeden Tag, was unsere Pflegekräfte leisten. Von den Patienten werden sie beschimpft – mit ein bißchen Glück nicht absichtlich sondern nur wegen eines Delirs. Von den Chirurgen gibt es Ärger weil irgendein Verband schief sitzt oder die Magensonde bei der Pflege rausgerutscht ist oder sonstwas – Chirurgen finden immer einen Grund. Von den Angehörigen gibt es Ärger weil die Bettwäsche mal gewechselt werden könnte und weil man so lange draußen warten musste und aus 100 anderen Gründen. Zum Glück verdienen sie kaum Geld, das entschädigt also auch nicht für diesen Ärger. Weil es so schön ist springen sie auch noch ständig für Dienste ein, weil sie sich ihren KollegInnen gegenüber solidarisch verpflichtet fühlen. Fehlt einer heißt es für die anderen – doppelte Arbeit. Da hängt man doch gerne an die sechste Nacht noch drei Nächte dran.
    Die Arbeitsbelastung im Schichtdienst einer Intensivstation ist für Pflegekräfte absurd hoch. Regelhaft ist eine adäquate Versorgung gar nicht mehr zu schaffen. Die geforderte gesetzliche Untergrenze wird zum Standard. Das Mindestmaß wird zur Regel und selbst diese Besetzung ist nicht immer zu garantieren. Konsequenzen Fehlanzeige. Das Defizit ist bekannt, nichts wird daran konkret geändert. Ich kann verstehen warum gerade junge KollegInnen schnell wieder aussteigen. Zu wenig Geld, zu viel Arbeit, zu wenig Respekt, fehlende Anerkennung.
    Ich habe in der Pflege großartige Menschen kennengelernt, denen das Wohl ihrer Patienten wichtig ist als ihr eigenes Wohl.
    Ich wünsche mir mehr Geld, mehr Respekt und Anerkennung für unsere Pflegekräfte. Das wünsche ich mir. 

Mir ist klar, dass keiner meiner Wünsche so schnell in Erfüllung gehen wird, dafür bin ich dann doch realistisch genug. Die großen Entscheider werden noch ein paar Jahre diskutieren und sich dann irgendwann über den Scherbenhaufen wundern und kopfschüttelnd daneben stehen weil das habe man ja so nicht wissen können, so schlimm wäre es ja nie gewesen. 

Und dann werden wir über die guten alten Zeiten reden – die sind nämlich jetzt gerade.
Deshalb und weil es – abseits des zunehmend maroden Gesundheitssystems – viele Dinge gibt für die wir froh und dankbar sein können, lasst uns die Weihnachtsfeiertage genießen. Ich wünsche allseits ein paar ruhige Stunden mit den Menschen die ihr so um Euch haben wollt und allen die im Dienst sind (so wie ich) – `nen ruhigen!

PS: Was wäre Euer 4. Weihnachtswunsch? 

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Weihnachten auf der Intensivstation und im OP

Wie ist es eigentlich Weihnachten so auf der Intensivstation? Oder im OP? Kann man da froh und munter sein? Man kann.
Es ist eine verschworene Gemeinschaft. Das besondere an der Heiligabend-Krankenhaus-Gemeinschaft ist die Auslese. Nimm die Chefärzte und die Oberärzte weg und setz sie bei Muttern an den gedeckten Weihnachtsschmaus-Tisch. Dann nehmen wir all die Putzfeen weg, die Saubermänner, die Logistiker, die Müllfahrer, die Heizungsinstallateure, Maler und Lackierer und sonstigen fleißigen Helferlein. Ein Notdienst oder gar Feiertagsarbeit ist tariflich nicht vorgesehen, also ab unter den Weihnachtsbaum zuhause. Schon in den Tagen vor Weihnachten werden die Patienten großzügig rausgeschmissen entlassen. Am 22. verlassen nach der Visite die selbständig gehenden das Krankenhaus, am 23. werden dann die mit Gehhilfe rausgefegt und am 24. rollen die Krankenfahrstühle (a.k.a. „Rolli“) durch den Ausgang. Hauptsache irgendwie zu Weihnachten zuhause. Kein Beatmungsschlauch im Mund? Schmerzen irgendwo unterhalb von Frisch-amputiert? Dann nichts wie ab! Nach! Hause!
Sekretärinnen schließen die heiligen Vorzimmer ab, der Pfarrer schließt die Gemeinde in seinen Segen ein und dann die Türen zu.
Und dann ist Ruhe.
Auf der Seite der Patienten bleibt also nur noch die Crème de la Crème der Bodensatz übrig. Die, denen es wirklich schlecht geht.
Und auf Seiten der Arbeitnehmer werden Pflegekräfte und Ärzte auf das unbedingt notwendige Mindestmaß zusammengestrichen. (Also im Grunde genommen so wie immer, aber das ist ein anderes Thema).
Und so sitzen wir da und sind alle an einem Ort, an dem wir nicht sein wollen, aber sein müssen. Es wird dunkel, die Kerzen sterilen LED-Imitate flackern fast schon besinnlich vor sich hin und dann kommen entgegen jede Regel doch noch Freiwillige. Nämlich diejenigen, die tatsächlich in den letzten Wochen vor Weihnachten Lieder geübt (!) haben. Sie ziehen von Station zu Station, treffen sich vor dem Schwesternzimmer und Patienten werden in Betten und mit Sauerstoff auf den Flur geschoben um dabei sein zu können. Und dann werden zwei oder drei Weihnachtslieder gesungen und für einen Moment liegt eine ganz besondere Stimmung in der Luft. Eine Stimmung die einen Geschmack davon gibt, dass es wichtigere Dinge gibt als den Grexit oder Obergrenzen für Klimaerwärmung und Flüchtlinge. Es würden sich viele Probleme lösen lassen, wenn es mehr solcher Momente gäbe. Weniger Distanz und mehr gemeinsames Singen. Kann ruhig schräg sein.

Davon ab ist es meistens einer der ruhigsten Dienste. Die wenigen Notfälle sind dann auch echte Notfälle und selbst von denen finden nur wenige den Weg als Neuaufnahme auf die Intensivstation. Denn wer es irgendwie noch schafft, schleppt sich bis zum 1. Weihnachtstag – was im Regelfall dann logischerweise ein sehr arbeitsreicher Dienst ist.

Und bei aller Ernsthaftigkeit, Professionalität und fachgerechten Durchführung der Eingriffe muss ein wenig Spielraum bleiben um diesem besonderen Moment  ein Augenzwinkern zuwerfen zu können. 

Frohe Weihnachten! Und – singt mal wieder ein Weihnachtslied!

Der Narko-hohoho-sedoc

Wünsch Dir was.

Weihnachtskugeldurcheinander
Hier sitzt heute nicht der Weihnachtsmann, sondern der Sandmann Sandmanns fleißigster Mitarbeiter und ihr dürft Euch trotzdem was wünschen.
Mich würde interessieren: was wolltet ihr immer schon mal von einem Notarzt / Intensivmediziner / Narkosearzt wissen?
Fragt mich zu Blaulichtfahrten, Notfallsanitätergesetz, Beatmung, Arbeitsbelastung oder Verdienstmöglichkeiten. Keine Frage ist zu doof, ihr dürft jede Frage stellen, ich muss ja zum Glück nicht jede Frage beantworten 😉
Die interessantesten Fragen werde ich in den nächsten Tagen und Wochen beantworten.
Ich freue mich auf Eure Fragen! Hohoho,

der Narkosearzt