Coronaimpfung?Ja! Äh nein, ich mein… jein.

Im Film Armageddon rast ein Meteorit auf die Erde zu. Das Ende der Menschheit, das Ende dieses Planeten Erde ist sicher. 

Die Katastrophe scheint unabwendbar, man arbeitet dennoch fieberhaft an einer Lösungsstrategie. Eine Bombe von gigantischer Sprengkraft soll den Meteoriten sprengen. Die geplante Fernzündung ist nicht mehr möglich und so opfert sich Bruce Willis heldenhaft indem er die Bombe manuell vor Ort auslöst und so die Menschheit rettet. 

Der Vergleich hinkt an der einen oder anderen Stelle, aber ich erkenne gewisse Parallelen zur Impfdiskussion. Während ich im März noch dachte, dass sich alle auf die Impfung stürzen werden, haben die irren Verschöwrungsmythen Teile der Bevölkerung so verunsichert, dass sogar über eine Impfpflicht nachgedacht werden muss, falls sich zu wenige freiwillig impfen lassen. Manche sehen sich schon als Märtyrer, es mangelt nicht an pathetischen und absurd anmaßenden Vergleichen.  

Naiv wie ich war, dachte ich, dass jeder sich freiwillig impfen lassen wird sobald es möglich ist. Stattdessen erlebe ich sogar unter den Kollegen im Krankenhaus zunehmend kritische Stimmen. Da wird über Genmanipulation doziert, auf mögliche langfristige Nebenwirkungen verwiesen und überhaupt könne das ja nicht sein, dass ein Impfstoff auf einmal so schnell entwickelt wurde, wo es sonst Jahre dauert (btw – doch, das geht wenn man so wie jetzt unendlich viel Geld und Ressourcen zur Verfügung hat https://www.independent.co.uk/news/world/americas/coronavirus-vaccine-phase-3-covid-fda-cure-a9704111.html ). 
Kurzum – man kann diesem Impfstoff nicht trauen und will sich lieber erstmal nicht impfen lassen. 

Was sie eigentlich sagen wollen ist doch – ICH lasse mich erstmal nicht impfen, hoffe aber darauf, dass es möglichst viele andere tun. Nur so lässt sich eine solche Einstellung erklären. Niemand, wirklich niemand kann ernsthaft der Meinung sein, dass der jetzige Zustand noch weitere drei bis fünf Jahre auszuhalten wäre. 

Und würde das die Einstellung zum Impfstoff wirklich ändern? Wenn wir noch drei Jahre warten würden um dann sagen zu können es gibt sehr selten bis keine relevanten Nebenwirkungen? 

Der aktuelle Lockdown light, die lahmende Wirtschaft, Insolvenzen, steigende Arbeitslosigkeit, übervolle Krankenhäuser immer am Rande des Zusammenbruchs und der Aufschub von zwingend notwendigen Operationen bei Krebspatienten sind nur einige der Dinge die wir nicht noch drei oder fünf Jahre aushalten können. 

Wir haben die einmalige Chance mit einem in Rekordzeit entwickelten Medikament uns aus der Zange der Pandemie selbst befreien zu können. Neben Abstand halten, Maske tragen und sozialer Distanzierung gibt es nun endlich die Möglichkeit selber aktiv etwas gegen die Pandemie zu tun. Ich lasse mich impfen, damit das Virus nicht weiter verbreitet werden kann.
Auch ich werde mich selbstverständlich impfen lassen und es ist eigentlich traurig, dass ich mich dafür rechtfertigen muss.
Pseudointellektuelle YouTuber und sogenannte Querdenker haben für sich die Deutungshoheit über den Sinn und Nutzen einer Impfung gepachtet. Sie sind stolz darauf gegen eine Impfung zu hetzen und weil die Komplexität der Welt ihren Verstand übersteigt und Ihnen die naturwissenschaftlichen Grundlagen zum Verständnis der Wirkweise einer Impfung fehlen suchen sie nach einfachen Lösungen und finden diese indem sie hinter allem und jedem eine große Verschwörung wähnen. Statt eigene Defizite anzuerkennen und auf Experten und deren Empfehlungen zu hören halten sie sich selbst in ihrem selbstgebauten Konstrukt aus wirren Theorien und einer allgemeinen Skepsis für überlegen und uns die wir uns impfen lassen für dumm. 

Diese Menschen schaffen es Impfverweigerer als die Erleuchteten darzustellen und die Selbstlosigkeit einer Impfung zum Schutz des Anderen als Einfältigkeit zumindest aber unüberlegte Obrigkeitshörigkeit milde zu belächeln.

Die grundsätzliche Frage ob man sich impfen lassen sollte, stellt sich für mich nicht. Außer einer medizinisch begründbaren absoluten Kontraindikation (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Kontraindi/faq_impfen_Kontraindi_ges.html) gibt es keinen Grund sich nicht impfen zu lassen. 

Übrigens – wer beispielsweise mal mit Eltern von Kindern redet die aufgrund schwerer systemischer Erkrankungen selbst nicht geimpft werden können, versteht welch ein Privileg es ist, geimpft zu werden. Wer hingegen mit seinem aus medizinischen Gründen (s.o.) ungeipmften Kind immer darauf angewiesen ist, dass andere sich impfen lassen kann verstehen wie sehr diese sich eine Impfung wünschen würden um nicht mehr Angst vor einer Infektion zu haben. 

Unabhängig davon darf man aber darüber diskutieren welchen Impfstoff man verwenden sollte. Hierzu empfehle ich den Übersichtsartikel unter 

https://www.bmbf.de/de/das-sollten-sie-ueber-impfstoffe-wissen-12724.html

Es macht einen erheblichen Unterschied ob ein Totimpfstoff, Lebendimpfstoff, Vektorimpfstoff oder mRNA-Impfstoff verimpft wird. 

Es ist noch zu früh für eine abschließende Beurteilung hinsichtlich der Empfehlung für oder gegen einen bestimmten Impfstoff. 

Wenn es soweit sein wird, vertraue ich auf die geballte Kompetenz von Experten des RKI die zu gegebener Zeit und nach sorgfältiger Güterabwägung eine belastbare Empfehlung aussprechen werden. 

Ich empfehle mal sich durch die Teammitglieder der Kommissionen des RKI zu klicken, hier zB. die KRINKO: 

https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/KRINKO/Mitglieder/mitglieder_node.html;jsessionid=EF4C180478965B0464007A8BB9EC0344.internet082

Es ist beeindruckend wieviel Leidenschaft, Zeit und Fleiß diese Menschen in ihren wissenschaftlichen Werdegang investiert haben um dort hin zu kommen wo sie jetzt sind. Diese hochintelligenten Menschen investieren den Großteil ihrer Lebenszeit für uns und um uns bestmöglich zu beraten. 

Wenn eine Expertenkommission aus EpidemiologInnen, InfektiologInnen und IntensivmedizinerInnen zu einer Entscheidung für oder gegen eine medizinische Maßnahme kommen, dann vertraue ich auf dieses Team.
Sorry Klaus! 

Patientenverfügung für alte oder chronisch kranke Patienten die keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschen

„Ich will nicht an Maschinen hängen“.
„Ich möchte keine Schläuche in meinem Körper haben.“
„Ich hatte ein schönes Leben, wenn es vorbei ist, dann soll es vorbei sein.“

Ich habe in den letzten Jahren immer mal wieder was zu Patientenverfügungen und End-of-life-Decisions geschrieben.
In einem relativ alten Artikel war eine Patientenverfügung als Beispiel aufgeführt, die mir als den Patienten behandelnden Arzt in die Hände fiel. Ich finde sie bis heute so gelungen, dass ich sie gerne nochmal aufnehmen möchte als gelungenes Beispiel dafür, wie man verhindern kann, am Ende des Lebens „an Schläuchen“ oder an Maschinen (Herz-Lungen-Maschine, Dialyse = künstliche Nierenwäsche, Beatmungsgeräte) zu hängen und von den Entscheidungen anderer abhängig zu sein.

Zum Hintergrund:
Der Patient selbst ist Arzt und hatte ein langes und erfülltes Leben, litt aber seit einigen Jahren auch an chronischen Krankheiten. Er war immer wieder im Krankenhaus wegen einer akuten Herzschwäche und hatte auch Wasser in der Lunge.
Im Rahmen einer schwersten akuten Attacke von Luftnot wurde der Patient mit einem Notarzt in unserer Klinik auf die Intensivstation gebracht. Er wurde bereits durch eine Maske beatmet (NIV, nicht-invasive Beatmung) und ein Team von Ärztinnen und Pflegekräften war gerade dabei den Patienten zu „verkabeln“. So nennen wir das, wenn eine arterielle Kanüle angelegt werden soll oder ein zentraler Venenkatheter. Der Patient war sehr aufgeregt und unruhig und erhielt zu diesem Zeitpunkt Morphin über eine Vene um die Luftnot zu lindern und ihn etwas zu beruhigen.
Die folgende Patientenverfügung fand sich bei den persönlichen Unterlagen des Patienten:

Hiermit verfüge ich, H.M., geb. am **.**.1939 für den Fall, dass ich meinen Willen nicht selbständig äußern kann, dass ich jegliche intensivmedizinische Maßnahmen ablehne.
Sollten versehentlich lebensverlängernde Maßnahmen wie die Anlage einer Magensonde, die Anlage eines zentralvenösen Katheters, eine Dialysetherapie, eine Antibiotikatherapie, eine Katecholamintherapie oder auch eine Beatmungstherapie mit oder ohne Anlage eines Endotrachealtubus begonnen worden sein so sind diese Maßnahmen sämtlich und unverzüglich abzubrechen. Ich dulde solcherlei Maßnahmen unter keinen Umständen, auch nicht kurzfristig.
Ich wünsche in jedem Fall eine bestmögliche palliative Unterstützung mit Linderung von Durst, Unruhe, Hunger und Schmerz.
Insbesondere die Schmerzlinderung soll im Fokus stehen und sehr großzügig durch Opioide wie z.B. Morphin, Sufentanil oder ähnliche Präparate sichergestellt werden. Eine mögliche atemdepressive Wirkung nehme ich ausdrücklich billigend in Kauf.
Undeutliche Äußerungen meinerseits sind im Zweifel zu ignorieren.
Wenn möglich möchte ich in meiner häuslichen Umgebung sterben.
Gezeichnet. Dr. H.M. im Oktober 20**.

Der erklärte Wille war unmissverständlich klar formuliert.
Es gibt Angehörige, die Angst haben, dass wir die Patienten wie eine heiße Kartoffel fallen lassen und direkt auf die Normalstation verlegen, wenn sie lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen. Es mag sein, dass das schon in Krankenhäusern vorgekommen ist. Auf allen Intensivstationen auf denen ich gearbeitet habe, war das nicht so.
Die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen bedeutet ja nur eine Änderung des Therapieziels. Das Ziel lautet nicht mehr „überleben um jeden Preis“ sondern fokussiert sich auf eine bestmögliche Lebensqualität. Die Verhinderung von Schmerzen, Luftnot und Angst rückt in den Vordergrund. Dafür akzeptieren wir ein mögliches Ableben.

Genau so wurde hier verfahren. Wie ich damals schon berichtete, leiteten wir eine großzügige Morphintherapie ein und der Patient konnte friedlich, angstfrei und ohne Luftnot einschlafen. Der Patient verstarb noch in der Nacht.

Da geht noch was – Corona für alle

Manchmal ist es doch ganz schön, wenn man Dinge geklärt hat. Reinen Tisch machen und so. Keine falschen Annahmen mehr, keine Unsicherheit.
Zumindest die MitarbeiterInnen an der Uniklinik Aachen sollten spätestens jetzt genau wissen wo sie stehen. Die Mitarbeiter dürfen auch nach Exposition und direktem Kontakt mit Coronapatienten weiter arbeiten gehen, sonst würde nämlich die Versorgung zusammen brechen. Während der Kreis Heinsberg nach mehr medizinischem Personal ruft sagt Aachen – alles halb so wild. Bei Hochrisikoexposition bleiben alle zuhause – nur bitte nicht das medizinische Personal.
Für unsere Arbeitszeit und unseren Arbeitsschutz gelten wie für viele weitere Bereiche andere Regelungen, Gesetze und Empfehlungen. Wir müssen etwas ganz besonderes sein.

Als die Schutzkleidung knapp wurde, hat man als erstes wurde die Isolationspflichtigkeit angepasst. Jahrelang gültige Regelungen wie wir mit erheblichem Aufwand isolieren und erst nach Anlage von erweiterten Schutzmaßnahmen zum Beispiel Patienten mit multiresistenten Erregern untersuchen und behandeln sollen sind auf einmal nicht mehr so wichtig. Unter der Hand gab es die Anweisung mehrere Patienten mit einem Kittel zu untersuchen, Schutzkittel sollen bitte mehrfach verwendet werden und nicht direkt weggeworfen werden.
Bevor es nämlich unbequem, aufwändig oder sogar teuer wird weil man OPs absagen muss, Betten sperren oder sogar (Intensiv)stationen abmelden müsste ändert man lieber die Hygienepläne. Zur Not auch gegen die Empfehlung des RKI, siehe Aachen.

Alle Kolleginnen und Kollegen die im Krankenhaus arbeiten und nicht nur Merci-Packungen verteilen und darüber reden wissen wie es um unser Gesundheitssystem bestellt ist.
Es ist ein röchelnd hustender, ausgemergelter und zeitweise nur noch ermattet zuckender Patient. Wenn Besuch kommt dann wird er geschminkt, frisch angezogen und ins Stühlchen gesetzt. Das ändert nichts am Grundproblem aber der Besuch kann beruhigt nach Hause fahren und muss das ganze Elend nicht sehen.
Bei Zertifizierungen wird sich gegenseitig in die Tasche gelogen, echte Defizite werden nicht angesprochen oder gar behoben sondern wenn überhaupt immer nur provisorisch geflickt. Die Grenze des Machbaren wird stetig weiter verschoben.
Ich will das an einem Beispiel klar machen. Auf einer internistischen Normalstation mit 10 Zimmern à 3 Betten waren nachts immer zwei examinierte Pflegekräfte und meist eine SchülerIn anwesend. Überflüssig zu erwähnen, dass diese Patienten weit weniger pflegebedürftig waren als sie es heute sind. Das war so Ende der 90er Jahre. Irgendwann wurden die Schüler als gleichwertige Pflegekraft gezählt. Nachts waren jetzt meist eine examinierte Pflegekraft und ein/e SchülerIn für eine Station mit 30 Patienten zuständig. In den folgenden Jahren wurde die Stelle der Schüler gestrichen, eine Pflegekraft für eine Station musste reichen.
30 Patienten, eine Pflegekraft. Wir reden immer noch von Patienten, nicht von Bewohnern. Patienten die Schmerzen haben, denen der Verband durchblutet, die auf dem Weg zur Toilette stürzen, Patienten denen man auf helfen muss und die wieder ins Bett gebracht werden müssen. Patienten die sich übergeben und in ihrem Erbrochenen liegen und bei denen das Bett dann eben auch nachts um 3 neu bezogen werden muss. Patienten mit Angst und Schlaflosigkeit, die eine Schlaftablette haben möchten. Patienten die Luftnot bekommen und die dem Dienstarzt vorgestellt werden müssen. Patienten bei denen Akutanordnungen gegen Luftnot gemacht werden und bei denen diese Medikamente fachgerecht oral, inhalativ oder intravenös verabreicht werden müssen. Für all diese Patienten gibt es also nachts eine Pflegekraft. Auf dem Papier ist das auch immer noch so – einzig, es fehlt das Personal. Anstatt durch ernsthafte Handlungspläne den Beruf attraktiver zu machen (bessere Bezahlung!, Anpassung der Arbeitszeiten, Betriebskindergarten etc.) und für echte Entlastung zu sorgen (durch Einstellung von Fachkräften aber auch HIlfspersonal z.B. zur Blutentnahme, zur Essensausgabe etc.) bleibt alles beim alten.
Als die Dienstpläne immer löchriger wurden hat man sich etwas pfiffiges überlegt. Gegenüberliegende Stationen bzw. Stationen die auf einer Ebene liegen werden funktionell zusammengefasst. Statt also bisher bis zu 30 Patienten, versorgt eine Pflegekraft aktuell nachts bis zu 60 Patienten. Problem gelöst, der Dienstplan hat keine Lücken mehr und Geld haben wir auch noch gespart.
60 Patienten für eine Pflegekraft.
Das ist genauso wahnsinnig, verantwortungslos und zum Scheitern verurteilt, wie es sich anhört. Ich habe Menschen morgens tot im Bett liegend gefunden, die zuletzt vom Spätdienst gesehen wurden. Einfach weil keine Zeit war für eine normale Zimmerrunde.
Das ist dann eben so, ein schicksalhafter Verlauf, herzliches Beileid, weitermachen.
Und wer glaubt, dass es nicht schlimmer geht hat noch nicht den Plänen von teuer bezahlten Beraterfirmen gelauscht die selbst dort noch Einsparpotenzial sehen. Immer mehr Chefärzte führen stolz ein MBA im Titel, das ist ein Master of Business Administration. Ohnehin von akademisch fragwürdiger Qualität sollen mit diesem berufsbegleitenden Studiengang besondere Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Controlling und Finanzwesen nachgewiesen werden.
Viel wichtiger als medizinische Inhalte sind finanzielle Aspekte. Das wissen wir seit Jahren, aber so richtig gerne mag das keiner mehr hören. Wir sollen weiter arbeiten und das Krankenhaus soll Geld erwirtschaften. Geld verdienen mit Menschen die krank sind.
Das ist genauso wahnsinnig, verantwortungslos und zum Scheitern verurteilt, wie es sich anhört.

Wir sind Helferinnen und Helfer. Wir sind Spezialisten in Teilgebieten der Medizin mit unterschiedlichen Aufgaben. Was uns alle vereint – wir wurden in unserer ganzen Ausbildung immer nur darauf trainiert und spezialisiert Menschen zu helfen. Wir haben es nie gelernt Bedingungen zu stellen. Bis heute heißt es wir müssen da durch, sollen runterschlucken, akzeptieren. Wir sehen die Auswirkungen maroder Finanzplanung und versuchen diese durch noch mehr Dienste und noch mehr Verzicht auf Freizeit und Erholung zu kompensieren. In den Diensten selber ist die Arbeitsbelastung teilweise absurd hoch. Ich hätte gestern im Spätdienst problemlos drei Kolleginnen beschäftigen können. Ich war aber alleine, also habe ich das gemacht was zwingend notwendig war und das was sinnvoll und notwendig gewesen wäre nach hinten geschoben. Ein ZVK-Wechsel bei ansteigenden Infektwerten? Muss der nächste Dienst machen, hoffentlich schaffen die das. Vielleicht hat der Patient bis dahin eine Sepsis. Das ist dann eben so, ein schicksalhafter Verlauf, herzliches Beileid, weitermachen.
Wir drehen uns im Kreis. Immer mehr Arbeit mit immer weniger (Fach)personal. Jeder weiß es, niemand ändert etwas. Wir fahren weiter auf Kurs Kollision.

Das was in Aachen gemacht wurde war wieder mal eine solche Verschiebung der Machbarkeitsgrenze. In Aachen gibt es noch sehr leisen Widerstand – nichts was die Klinikleitung an ihrem Vorhaben hindern könnte. Die nächsten Kliniken werden sich still und leise anschließen, irgendwann ist es dann der neue Standard.
Machen ja alle so.

Kälte.

Kälte kann Fluch und Segen sein.
Kälte ist eine medizinische Maßnahem die wir einsetzen um Menschen zu retten, um Gehirnzellen nach einer Wiederbelebung zu schützen und um große Operationen wie den Ersatz einer gerissenen Hauptschlagader erst möglich zu machen.
So auch bei Michaela.

Michaela ist ein vier Jahre junges Mädchen als sie in einen eiskalten Teich fällt. Als sie in den Teich gleitet versucht sie noch durch strampeln sich über Wasser zu halten.
Hinterher wird man Erdreste unter den Fingernägeln finden, Michaela hat wohl zunächst noch erfolgreich versucht sich am Ufer fest zu halten. Retten konnte sie sich selbst nicht, aber in der Zeit in der sie ihren Kopf noch über Wasser hielt kühlte das ca. 8-9°C kalte Wasser innerhalb weniger Minuten erst das Blut in den Beinen und dann auch die Muskeln aus. Jeder der schon mal bei Schnee und Eis ohne lange Unterhose auf den Bus gewartet hat weiß wie schwer, müde und kraftlos kalte Muskeln in den Beinen werden.
Die Muskeln bei Michaela werden schließlich auch kalt und schwach, versagen ihre Arbeit. Die von der Kälte gelähmten Beine werden bleischwer, ziehen Michaela letztlich unter die Wasseroberfläche.

Nach dem Überlebenskampf legt sich eine gespenstische Stille über den Teich.
Michaela liegt auf dem Boden dieses Teiches, auch das Herz schlägt immer langsamer, der Herzrhythmus entkoppelt, schließlich bleibt das Herz stehen.

Nach einer halben Stunde wird Michaela gefunden, zunächst von der Familie, dann von einem Notarzt reanimiert. Die erstmalig gemessene Temperatur beträgt gerade mal 18° C.
Michaela wird beatmet und in ein Krankenhaus geflogen.
Die ganze Geschichte wurde verfilmt und als „Wunder von Kärnten“ bekannt.
In einem hörenswerten Vortrag von Dr. Markus Thalmann aus dem Jahr 2017 schildert er die Ereignisse und glücklichen Fügungen von damals gemeinsam mit ein paar Hintergrundinformationen zur Hypothermie.
Michaela wurde an der Herz-Lungen-Maschine erwärmt, nahm ein paar Komplikationen mit und konnte schließlich ohne Residuen, das heißt ohne sichtbare, neurologische Folgeschäden entlassen werden.
Ebenfalls von der AGN gibt es übrigens einen großartigen Vortrag von Prof. Dr. Michael Holzer über die therapeutische Hypothermie – den Einsatz einer künstlichen Herunterkühlung eines Patienten nach einer Wiederbelebung.
Beides schöne Beispiele dafür wie wir Kälte in der Medizin nutzen.

Kälte beschäftigt uns aber in diesen Tagen vor allen Dingen aus ganz anderen Gründen. Alkoholisierte, oft wohnungslose Patienten werden irgendwo aufgefunden und vom Rettungsdienst in unsere Klinik verbracht.
Eigentlich gehören diese Menschen in eine Unterkunft wo sie etwas warmes zu Essen und einen sicheren Platz zum schlafen bekommen. Im Krankenhaus haben wir beides, warmes Essen und einen sicheren Platz zum schlafen, trotzdem sind wir dafür eigentlich nicht die richtige Adresse. Die ganze Infrastruktur, das Equipment einer ZNA und vor allem das Personal ist viel zu teuer, trotzdem landen unterkühlte Obdachlose bei uns weil keiner weiß wo sie sonst hin sollen. Die soziale Isolation führt dazu, dass Menschen wie Herr Jawotschek durch alle Maschen sozialer Hilfsmaßnahmen fallen und ganz am Ende eines tiefen Falls landen diese Menschen dann manchmal bei mir im Schockraum.

Für Herrn Jawotschek wäre Weihnachten 2017 vielleicht anders verlaufen, wenn er nicht in der sozialen Isolation von allen ignoriert worden wäre.
Herr Jawotschek wohnte mit seiner Frau in einer50qm-Einliegerwohnung. Sortierte Verhältnisse, kinderlos, zwei Katzen, er Schichtarbeiter im Sicherheitsdienst, sie bei einem kleinen Entsorgungsbetrieb in der Verwaltung. Zusammen reichte das Geld für einen sich ewig wiederholenden Lebensrhythmus aus Arbeit, Urlaub im Harz, Schützenfest und einmal im Monat einem Abendessen im Restaurant. Entweder beim Griechen (seine Wahl) oder beim Italiener (ihre Wahl). Es war diese Monotonie die Ihnen Sicherheit gab, Herr Jawotschek sagt es war ein schönes Leben ohne Überraschungen.
Seine Frau entdeckte im Urlaub einen Knoten an der Brust, sie hatte auch schon viel  abgenommen. Keine vier Monate später war seine Frau tot.
Der Schmerz über ihren Verlust, die Leere in der Wohnung ließen ihn zum Alkohol greifen. Der Supermarkt lag am Ende der Straße, einen Fußweg von nur 100m entfernt. Ganze Regale voll mit Problemlösern in allen Farben und Geschmacksrichtungen.
Herr Jawotschek war immer häufiger krank, fehlte auf der Arbeit, verlor schließlich seinen Job. Mit Hartz4 konnte er die Wohnung nicht halten, er solle umziehen.
Es war Sommer, Herr Jawotschek nahm einen Rucksack, zog die Tür zu und kehrte nicht mehr zurück. Er schlief eigentlich immer auf dem Parkdeck eines Möbelhauses, hinten in einer Ecke hinter den Einkaufswagen.
An einem kaltnassen Novembertag 2017 schmerzte die Kälte besonders. Trotz Jacke und Schlafsack, trotz Wodka und Korn. Der Alkohol ist ständiger Begleiter, tröstet, dämpft und lindert im Winter die durch die Kälte entstehenden Schmerzen.
Irgendwann hüllte ihn eine gnädige Dämmerung ein.

Menschen gingen an ihm vorbei, sie sahen ihn und dachten sich wohl auch, dass bei diesem Wetter und der Eiseskälte niemand dort liegen sollte.
Sie alle ignorierten die notwendige  Konsequenz. Es waren ja genug andere dort. Wenn keiner von denen etwas macht, dann müssen wir ja auch nichts machen.
Bei Außentemperaturen die nachts bis auf -5°C abfielen liegt Herr Jawotschek dort und an ihm strömen unzählige Menschen vorbei. Auf den Kameras der Überwachungsmonitore wird man hinterher sehen, dass an zwei Tagen in Folge Menschen an ihm vorbei liefen und teilweise sogar über ihn drüber stiegen um Müll in einem hinter ihm angebrachten Mülleimer zu entsorgen.
Zu jedem Unglück gehört auch immer Glück und Herr Jawotschek hatte Glück, weil der hinter ihm abgelagerte Papier- und Kartonagenmüll nicht abgeholt wurde während er da lag. Diese isolierten ein wenig, hielten die ganz kalten Luftströme weg und sorgten dafür, dass die warme Abluft aus dem Kaufhaus nicht sofort weggeweht wurde.
Wenn man sich nah genug an die Abluftrohre legt und der Wind gut steht wird man bei Regen oder Schnee noch nicht mal nass. Der Platz ist beliebt, der Platz muss regelmäßig gegen andere Obdachlose verteidigt werden. Städtische Übernachtungsangebote sind keine Alternative für ihn. Die letzten Male in denen Maik dort übernachtet hat wurden ihm die wenigen Habseligkeiten die er noch besitzt gestohlen, von einem anderen Obdachlosen. Er kommt klar, will kein Mitleid, aber die nasse Kälte macht auch ihm zu schaffen.
Am Ende einer langen Nacht öffnete das Möbelhaus seine Türen, ein weiterer Tag an dem Eckbanken in Sonoma Eiche Imitat den Besitzer wechselten. Eine weitere Nacht in der sich das Parkhausdeck leerte und nur Herr Jawotschek dort blieb.
Ein neuer Tag an dem Boxspringbetten mit 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratzen für jetzt-nur-899€ verkauft wurden.

Es muss ein weiterer, glücklicher Zufall gewesen sein, dass die Autobatterie eines Golf Sportsvan – der eigentlich einen neuen Couchtisch nach Hause bringen sollte – an diesem Tag ihren Dienst versagte.
Direkt neben Herrn Jawotschek wurde von der Pannenhelferin versucht, die Batterie zu überbrücken und dem Auto so zu einem Neustart zu verhelfen.
Als Metapher wäre das schon reichlich kitschig.
Wer Rettungsdienst fährt weiß – die Geschichten des echten Lebens sind kitschiger, dramatischer und absurder, als es eine Liason aus Rosamunde Pilcher und Jim Carrey hergeben könnte.
Die Pannenhelferin war es der die Situation komisch vorkam. Der Mann dort bewegte sich nicht mehr, er fühlte sich kalt an. Tot.
Die Pannenhelferin war es daher auch, die als herbeigerufene Helferin ihrerseits Hilfe herbeirief. Drehbuch und so, kannste Dir nicht ausdenken.
Tatsächlich war ein sehr kompetentes Team eines RTWs als ersteintreffendes Rettungsmittel vor Ort und leitete ein EKG ab welches Zeichen einen funktionellen Kreislaufstillstand zeigte (PEA). Die fast zeitgleich eintreffende Notärztin entschied sich für eine schonende Rettung (s. Bergungstod) und Immobilisation und fuhr ein Zentrum mit der Möglichkeit zur extrakorporalen Erwärmung an.
Herr Jawotschek wurde noch im Schockraum unserer Klinik für den Anschluss an eine Herzlungenmaschine kanülliert. Während wir Herrn Jawotschek langsam aufwärmten diskutierten wir die Sinnhaftigkeit des Unterfangens. Das Kalium war schon relativ hoch, ein Zeichen für einen höhergradigen Zellschaden und eine längere Liegedauer. Im cCT fand sich kein Hinweis auf einen höhergradigen Hirnschaden, in der Folge konnte der Patient zunehmend besser den Kreislauf halten. Wir sahen vor allem eine massive Schädigung der Muskulatur mit einem CK-Anstieg über 100.000, Herr Jawotschek wurde dialysiert.
Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt auf der Intensivstation blieb die Dialysepflichtigkeit, die Nieren hatten einen irreversiblen Schaden bekommen. Ansonsten blieb er ohne erkennbare neurologische Defizite.
Die fragliche Suizidalität führte dazu, dass Herr Jawotschek über einen Aufenthalt in der Psychiatrie ausgeschleust wurde. Dort wurde über den Sozialdienst umfangreiche Hilfe organisiert, alles sah nach einem echten Neustart aus.
Ich habe ihn noch zwei oder drei Mal bei uns im Krankenhaus getroffen. Er auf dem Weg zur Dialyse, ich auf dem Weg zum Dienst.
Irgendwann hab ich ihn aus den Augen verloren. Ihn begleiten meine besten Wünsche für sein neu geschenktes Leben. Es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn er den Neustart auch langfristig schafft.

Wir tun gut daran aufeinander zu achten und diese Aufgabe nicht nur den professionellen (bezahlten) Rettern zu überlassen. Mittlerweile gibt es in fast allen deutschen Großstädten die Kältebusse (oder sgn. Mitternachtsbusse) die zu Hilfe gerufen werden können.
Ich versuche konkrete Hilfe anzubieten indem ich einem Menschen in Not ein warmes Baguette (z.B. aus einem der vielen Backshops) oder eine andere schnelle, warme Mahlzeit kaufe. Das ist mehr als eine Spende, ich finde es eine schöne Geste. Wer sich mal mit dem Thema auseinander setzt wird merken, dass es den meisten vor allem an Gesprächen und sozialen Kontakten fehlt. Ein offenes Wort ist da manchmal genauso hilfreich.
Und gibt man jetzt 5 Euro in dem Wissen, dass davon Alkohol gekauft wird? Die Antwort ist – selbstverständlich! Es ist nicht meine Aufgabe mein Gegenüber von einer veganen, nachhaltigen, asketischen Lebensweise zu überzeugen. Die wissen alle selber, was sie ihrem Körper zumuten.
Es gilt wie fast immer – irgendwas tun ist besser als nichts zu tun.

Sollen wir noch alles machen?

Angeregt von diesem Tweet entspann sich auf Twitter einer recht differenzierte Diskussion.

<blockquote class=“twitter-tweet“><p lang=“de“ dir=“ltr“>Nachtdienst:<br>Neuaufnahme.<br>Geb: 1925, dement <br>Und nun, was glaubt ihr?! <br>Klar, das VOLLE PROGRAMM.<br>Blut, Antibiose und im Fall der Fälle wünscht die Ehefrau einen Aufenthalt auf der ITS. <br>Kann man so machen.<br>Doc kann aber auch Eier in der Hose haben und Klartext reden. <br>Aber nööö</p>&mdash; 🍬MyBrainFudge🍬 (@mybrainfudge) <a href=“https://twitter.com/mybrainfudge/status/1211120631904948224?ref_src=twsrc%5Etfw“>December 29, 2019</a></blockquote> https://platform.twitter.com/widgets.js

Es ging um Ärztinnen und Ärzte die Angehörige von Patienten mehr oder weniger direkt mit der Frage konfrontieren ob man denn noch alles bei den Patienten machen solle. Gemeint ist damit die Frage nach dem Einsatz von invasiver, maximaltherapeutischer Intensivmedizin.
„Möchten Sie, dass wir ihren Vater auch beatmen? Wir würden dann so einen Schlauch in die Lunge legen. Wenn wir das nicht machen wird er irgendwann ersticken.“
So oder ähnlich gruselige Aussagen habe ich selbst schon miterleben müssen.

Es wurde eifrig diskutiert, ob der Wortwahl („Eier in der Hose haben“) und des gesetzten Zieles. Es wurde von einigen kritisiert, dass es moralisch nicht vertretbar ist, einem anderen Menschen das Recht auf Leben abzusprechen.
Vor allem glaube ich wurde hier einiges vermischt.
Die von mir sehr geschätzte @ZoiNetou hatte dazu ein paar sehr gute Gedanken:

<blockquote class=“twitter-tweet“><p lang=“de“ dir=“ltr“>Thread:<br>Ethik ist ein Thema, was mir nah am Herzen liegt, und ich komme aus einem Land, was viel zurückhaltender bezüglich der (Intensiv)Therapie älterer Patienten ist.<br>Hier manche meiner Gedanken über Therapie im fortgeschrittenem Alter.<br><br>1/13 <a href=“https://t.co/sJrD3QNVfz“>https://t.co/sJrD3QNVfz</a></p>&mdash; Zoi Netou-Kandylidou (@ZoiNetou) <a href=“https://twitter.com/ZoiNetou/status/1211302153781940225?ref_src=twsrc%5Etfw“>December 29, 2019</a></blockquote> https://platform.twitter.com/widgets.js

Ob Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, Ärztinnen und Ärzte oder Rettungsdienstfachpersonal – ich glaube, dass wir uns in der Grundsache sehr einig sind. Es unterscheidet sich vielleicht die Wortwahl, die gewählten Ausdrücke und Formulierungen. Die Standpunkte und Fragen die sich bei Twitter in den teils hitzigen Diskussionen ergaben sind selbst das Ergebnis eines oder mehrerer  Kommunikationsfehler.
Während wir über ein Missverständnis miteinander reden (twittern) entstehen fortwährend neue Missverständnisse. Weil wir einen anderen Informationshintergrund haben, weil wir eine andere Ausbildung haben, weil wir ein Homonym nicht als solches erkennen – und aus 1000 anderen Gründen.
Die Ausgangssituation ist für Ärzte und Pflegekräfte so alltäglich und banal nur irgend möglich. Einem Menschen geht es gesundheitlich schlecht, der Patient soll auf die Intensivstation aufgenommen werden.
Die für uns Gesundheitsfachleute  banal Ausgangssituation stellt die Angehörigen vor existenzielle Fragen. Es ist der worst-case auf den sie sich in der Regel eben doch nicht vorbereitet haben. Tausend Fragen schwirren im Kopf und dann will der Arzt auch noch wissen ob jetzt alles gemacht werden soll oder nicht.  Und natürlich (!) soll alles gemacht werden, warum denn auch nicht?
Und was ist die Alternative?
Das Dilemma der Entscheidung für die Angehörigen ist unlösbar:

Entscheiden Sie sich gegen eine Ausweitung der Intensivtherapie, dann kann es passieren, dass sich die Angehörigen zukünftig mit dem Gedanken quälen den Patienten indirekt getötet zu haben. Er hätte leben können, wir haben das durch unsere Entscheidung verhindert. Wir haben Opa umgebracht.

Entscheiden Sie sich für eine Ausweitung der Intensivtherapie, dann kann es passieren, dass sich die Angehörigen zukünftig mit dem Gedanken quälen den Patienten unnötigem Leid ausgesetzt zu haben.
Die ganzen Schläuche, diese Qualen, diese Schmerzen. Wir haben den Opa gefoltert. 

Wichtig ist – es spielt hierbei überhaupt keine Rolle, ob die getroffene Entscheidung dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. Gibt es einen eindeutig formulierten Patientenwillen und kann dieser befolgt werden, so wird sich die Frage nach dem ob nicht ergeben.
In dem Moment, in dem wir die Angehörigen fragen was wir machen sollen drängen wir sie in ein moralisches Dilemma aus dem es kein Entkommen gibt.

Der Fehler liegt in der Frage.
Wir dürfen Angehörige niemals fragen, was wir tun sollen.
Wenn wir das Gespräch mit den Angehörigen suchen, dann mit dem Wissen, dass ein Gesundheitszustand eingetreten ist, dessen kurative Therapie eine invasive Form der Maximaltherapie notwendig macht, die möglicherweise nicht im Sinne des Patienten ist.
Wir dürfen die Angehörigen danach fragen, ob sie etwas über die Wünsche, Werte und moralischen Vorstellungen des Patienten wissen. Wir müssen den Angehörigen vor allen Dingen sehr klar machen, dass nicht sie es sind, die eine Entscheidung für oder gegen das Leben treffen.
Ich sage das den Angehörigen genau so.
„Egal was Sie mir sagen, egal was Sie mir hier in unserem Gespräch berichten.
Die Entscheidung für oder gegen eine Ausweitung oder Fortsetzung der Intensivtherapie ist eine ärztliche.

Auch das sage ich so oder ähnlich den Angehörigen:
„Es geht bei unserem Gespräch nicht darum was Sie möchten, es geht nicht darum was ich möchte.
Es geht um den mutmaßlichen oder erklärten Willen des Patienten und es ist unsere Pflicht den umzusetzen.“

Auf gar keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass wir unsere eigenen Werte und Vorstellungen vom Leben und vom Lebensende dem Patienten oder den Angehörigen aufoktroyieren.

<blockquote class=“twitter-tweet“><p lang=“de“ dir=“ltr“>Den wohl prägendsten Satz hat mal ein Prof. zu mir gesagt, machen Sie nicht den Fehler Ihre Werte und Vorstellungen vom Leben und seinem Ende ihrem Patienten anzudichten. Vor allem nicht, wenn Sie ihn nicht fragen können.</p>&mdash; DanielS (@danielstrlt) <a href=“https://twitter.com/danielstrlt/status/1211211700298489857?ref_src=twsrc%5Etfw“>December 29, 2019</a></blockquote> https://platform.twitter.com/widgets.js

Was fragt man denn dann, wenn man nicht fragen soll ob alles gemacht werden soll?
Nun, die Frage kann vor allem lauten, was soll das Ziel sein?
Entspricht es dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten, dass wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen sollen sein Leben zu retten?
Oder entspricht es eher seinem erklärten oder mutmaßlichen Willen, dass wir ihn bis zuletzt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln (!) begleiten um Luftnot, Angst und Schmerzen zu nehmen?
In einigen Fällen ist es sogar möglich beides zu versuchen. Nehmen wir einen hochbetagten, multimorbiden Patienten mit respiratorischer Insuffizienz bei Pneumonie. Klingt konstruiert, ist aber der Klassiker auf deutschen Intensivstationen. Eine Pneumonie ist keine per se tod bringende Erkrankung, kein bösartiges Grundleiden wie beispielsweise Lungenkrebs.
Es wäre möglich, dass sich der Patient hiervon erholt, die Chancen stehen möglicherweise gut, dass er nach Genesung wieder in sein Umfeld zurück kehrt. Es besteht aber auch die Chance, dass die Luftnot so stark und die Oxygenierung so schlecht wird, das eine Intubation und künstliche Beatmung notwendig wäre.
Auch hier wäre die Lösung das Ziel zu definieren.
Wir behandeln die Pneumonie mit einem Antiinfektivum und lindern die Luftnot unter anderem mit einer nicht-invasiven Beatmung (ASB ist eine tolle Sache!) und akzeptieren, wenn sich der Zustand hierunter verschlechtert. Der Patient erhält großzügig Medikamente gegen die Luftnot und die Angst (Morphin) und bleibt auf der Intensivstation.

Wir haben bei uns auf der Intensivstation definiert, dass es keinen Therapieabbruch gibt. Wir ändern Therapieziele. Zum Beispiel ganz einfach von Lebenserhalt auf Erhalt von Lebensqualität.
Angehörige die sagen, dass sie wollen, dass alles gemacht wird haben eigentlich meistens nur Angst, dass wir ihren Vater oder ihre Mutter in einen Nebenraum abschieben und auf den Tod warten.
Sie wollen, dass sich gekümmert wird und sagen das in einer Sprache und mit Worten die nicht den unseren entsprechen.
Es ist unsere Verpflichtung auf die Sorgen und Nöte der Angehörigen einzugehen und Ihnen die von uns getroffenen Entscheidungen zu erklären und sie auf dem weiteren Weg zu begleiten.

Man kann übrigens auch ganz wunderbar einen fortgeschritten onkologisch erkrankten, präterminalen Patienten auf die Intensivstation aufnehmen – auch und gerade wenn nichts mehr gemacht werden soll.
So noch nicht geschehen legen wir einen Zugang, starten einen Morphinperfusor und geben bei Bedarf Lorazepam buccal. Wir beantworten Fragen der Angehörigen und erklären den Sterbeprozess. Das ist eine palliative Akuttherapie und wenn sich der Zustand stabilisiert, kann der Patient auch noch auf die Normalstation verlegt werden wo es in der Regel etwas ruhiger ist als bei unseren dauerbimmelnden Monitoralarmen.

Wir sollten die Situation für die Angehörigen also nicht unnötig komplizierter machen als es ohnehin schon ist. Statt der Frage danach ob noch alles gemacht werden soll, sollten die möglichen Ziele in den Fokus gerückt werden.

Abschließend geht an dieser Stelle ein ausdrücklicher, herzlicher Dank an alle Leserinnen und Leser. Ich freue mich insbesondere drüben bei Twitter (wo ich als @narkosedoc unterwegs bin) über den oft wertschätzenden Austausch unter Kolleginnen und Kollegen.
Ich freue mich auf spannende Diskussionen, Kommentare und auch Korrekturen im neuen Jahr!

Wünsche für Weihnachten

Man stelle sich vor ich hätte ein paar Wünsche frei. Nicht drei Nüsse für Aschenbrödel sondern drei Gutscheine für den Narkosedoc. Ich hätte sehr schnell ein paar konkrete Wünsche:  

  1. Mehr Geld für mehr Personal
    Eigentlich wissen wir seit Jahren, dass es so nicht mehr weiter geht. Lücken im Dienstplan, unterbesetzte Stationen, Telefone bei denen keiner mehr abhebt. Ich erinnere mich noch an die ersten Honorarnotärzte. Wir hielten es für eine kurzfristige Notlösung. Sicher nichts von Dauer, eine außergewöhnliche Situation. Mittlerweile werden ganze Notarztstandorte ganzjährig und ausschließlich von Honorarkräften versorgt. Keine geregelte Fortbildung, es ist ein reines Glücksspiel ob und wer mit welcher Kompetenz auf dem Auto sitzt. Wir akzeptieren das nicht nur seit Jahren, wir haben uns daran gewöhnt.
    Rentner und solche die es nicht mehr in der Klinik aushalten schlagen sich mit Honorardiensten auf diesen Notarztstandorten durch. Tagtäglich werden uns Patienten in Begleitung eines Notarztes in die Klinik gebracht und man fragt sich ob und wenn ja was diese Kollegen studiert haben. Es tut mir weh zu sehen, wie meine große Leidenschaft – die Notfallmedizin – von diesen Kollegen vorgeführt wird.
    Ja, es gibt auch die positiven Beispiele, klar. Aber ich habe nicht mehr die Kraft dazu mich über das zu freuen, was gut läuft. Ich ärgere mich, weil ich sehe wie die Medizin den Bach runter geht. Ich würde mir wünschen, dass wir lauter werden und deutlich sagen was alles schon längst nicht mehr läuft. Wir müssen uns davon verabschieden immer noch mehr Dienste zu übernehmen, auf Pausen zu verzichten, unzählige Überstunden zu arbeiten um irgendwie den Laden am Laufen zu halten. Es braucht mutige Pflegekräfte, Rettungsdienstmitarbeiter und Ärzte die sagen was ist.
    Defizite müssen benannt werden, Lösungen erarbeitet werden.
    Es ist keine Zeit mehr zu überlegen, Arbeitskreise zu bilden und auf ein Wunder zu hoffen. Wir brauchen mutige Entscheidungen, Geldspritzen die ihren Namen verdienen, nicht bloß einen Tropfen auf den heißen Stein. Kein Aktionismus sondern echte Maßnahmen. Das wird nicht billig, das wird sogar sehr teuer und das auf Jahre. Wir müssen uns ehrlich überlegen ob wir das wollen. Wenn nicht, ist das auch okay für mich, aber dann soll man das auch so sagen. Ich kann diesen Sparwahnsinn überall nicht mehr hören, es gibt nichts mehr zu sparen, es ist alles kaputt gespart.
    Wir sind ein Krankenhaus, kein Wirtschaftsunternehmen. Ich bin es leid mit der Verwaltung zu diskutieren, ich bin müde Politikern zuhören zu müssen die beschwichtigen und vertrösten.
    Wir brauchen mehr Geld, mehr Personal, mehr Ausbildung und eine bessere Lehre. Das wünsche ich mir. 
  2. Notfallsanitäter die im Notfall Sanitäter sein dürfen
    Wir haben dieses Jahr Felix Peter kennen gelernt und Doc Karo und andere. Ich kenne viele dieser Felix Peters in unserem Land. Notfallsanitäter die eine dreijährige Ausbildung gemacht haben, deren ganze Leidenschaft die Notfallmedizin ist. Experten die das nicht als Honorarjob zur Aufstockung der Rente machen (s.o.) sondern weil sie sich dem Dienst am Not leidenden Menschen verpflichtet fühlen. Sie riskieren ihr Leben und rasen mit Blaulicht und Horn zu Menschen in Not um Leiden zu lindern. Wir müssen Ihnen vertrauen und wir brauchen mutige ärztliche Leiter im Rettungsdienst die für ihre NFS die SAA (Standardarbeitsanweisungen) und BPR (Behandlungspfade Rettungsdienst) freigeben mit denen Kompetenzen gestärkt werden.
    Wir brauchen mehr und bessere Notärzte, Notärzte die einen echten Benefit darstellen, wenn sie dazu kommen. Notärzte brauchen wir nicht für Schmerztherapie, Schlaganfall und Herzinfarkt – das können unsere NFS selber (und meist besser als das was da draußen an Notärzten mancherorten rumfährt…). Wir brauchen NFS die selbständig arbeiten und echte Notärzte die beispielsweise per Helikopter überregional dazu kommen wenn es nötig ist. Notärzte die wissen wie man zügig eine Thoraxdrainage anlegt, was im Kindernotfall zu tun ist und die sich regelmäßig fortbilden und ihre Fachkenntnisse jährlich unter Beweis stellen müssen.
    Wir haben genug Bedenkenträger, es wird sich nichts ändern wenn man immer nach Gründen sucht warum man etwas nicht machen sollte. Wir brauchen mutige Entscheidungen, Leute die voran gehen, so wie die ÄLRD in Berlin, die mit ihren SAA wirklich etwas bewegen. Das wünsche ich mir. 
  3. Mehr Respekt und mehr Geld für Pflegekräfte
    Ich sehe es jeden Tag, was unsere Pflegekräfte leisten. Von den Patienten werden sie beschimpft – mit ein bißchen Glück nicht absichtlich sondern nur wegen eines Delirs. Von den Chirurgen gibt es Ärger weil irgendein Verband schief sitzt oder die Magensonde bei der Pflege rausgerutscht ist oder sonstwas – Chirurgen finden immer einen Grund. Von den Angehörigen gibt es Ärger weil die Bettwäsche mal gewechselt werden könnte und weil man so lange draußen warten musste und aus 100 anderen Gründen. Zum Glück verdienen sie kaum Geld, das entschädigt also auch nicht für diesen Ärger. Weil es so schön ist springen sie auch noch ständig für Dienste ein, weil sie sich ihren KollegInnen gegenüber solidarisch verpflichtet fühlen. Fehlt einer heißt es für die anderen – doppelte Arbeit. Da hängt man doch gerne an die sechste Nacht noch drei Nächte dran.
    Die Arbeitsbelastung im Schichtdienst einer Intensivstation ist für Pflegekräfte absurd hoch. Regelhaft ist eine adäquate Versorgung gar nicht mehr zu schaffen. Die geforderte gesetzliche Untergrenze wird zum Standard. Das Mindestmaß wird zur Regel und selbst diese Besetzung ist nicht immer zu garantieren. Konsequenzen Fehlanzeige. Das Defizit ist bekannt, nichts wird daran konkret geändert. Ich kann verstehen warum gerade junge KollegInnen schnell wieder aussteigen. Zu wenig Geld, zu viel Arbeit, zu wenig Respekt, fehlende Anerkennung.
    Ich habe in der Pflege großartige Menschen kennengelernt, denen das Wohl ihrer Patienten wichtig ist als ihr eigenes Wohl.
    Ich wünsche mir mehr Geld, mehr Respekt und Anerkennung für unsere Pflegekräfte. Das wünsche ich mir. 

Mir ist klar, dass keiner meiner Wünsche so schnell in Erfüllung gehen wird, dafür bin ich dann doch realistisch genug. Die großen Entscheider werden noch ein paar Jahre diskutieren und sich dann irgendwann über den Scherbenhaufen wundern und kopfschüttelnd daneben stehen weil das habe man ja so nicht wissen können, so schlimm wäre es ja nie gewesen. 

Und dann werden wir über die guten alten Zeiten reden – die sind nämlich jetzt gerade.
Deshalb und weil es – abseits des zunehmend maroden Gesundheitssystems – viele Dinge gibt für die wir froh und dankbar sein können, lasst uns die Weihnachtsfeiertage genießen. Ich wünsche allseits ein paar ruhige Stunden mit den Menschen die ihr so um Euch haben wollt und allen die im Dienst sind (so wie ich) – `nen ruhigen!

PS: Was wäre Euer 4. Weihnachtswunsch? 

Politik und Propofol

Venlafaxin, Lamotrigin, Candesartan, Unacid. Diese Medikamente haben eigentlich nichts gemeinsam, außer dass es für sie alle schon mal einen Lieferengpass gab. Lieferengpass ist dabei ein Euphemismus, eine Schönfärberei, denn tatsächlich waren diese Medikamente über mehrere Wochen überhaupt nicht lieferbar.
Es gibt unter der Gelben Liste eine ständig aktualisierte Liste mit Medikamenten die aktuell schlecht oder gar nicht lieferbar sind.
Gründe dafür gibt es viele, manchmal brennt die einzige noch produzierende Firma das Herstellers ab, mal gibt es Kontaminationen und ganze Chargen werden zurückgerufen. Viele Engpässe sind das Resultat eines globalisierten Marktes der weitestgehend unreguliert eben den Gesetzen von Angebot und Nachfrage folgt.
Dabei sind Interessen und Belange von Patienten eher nachrangig. Vorrangig geht es um Effizienz, Kostenersparnis und einen möglichst maximalen Gewinn. Pharmakonzerne sind vor allem Unternehmen die in erster Linie ihre Aktionäre zufrieden stimmen sollen oder auch die dahinter stehenden absurd reichen Familien wie die Wirtz-Familie (2,5 Mrd. € geschätztes Vermögen, Grünenthal Pharma und andere) noch reicher machen sollen.
Falls möglich schmücken sie sich dabei gerne mit dem Image der Heilsbringer. Menschen zu heilen ist ja eine sehr ehrenrührige Sache, damit schmückt man sich gerne.
Wenn also die Produktion auf maximale Effizienz getrimmt wird – zum Beispiel indem man statt mehrerer, ausfallsicherer Standorte nur noch an einem einzigen Standort produzieren lässt – kann es eben auch zu Ausfällen kommen.
Manchmal aber – und das ist fast noch am schlimmsten – weiß man die Gründe gar nicht so genau. Das ist im Moment der Fall für Propofol. Propofol ist das wahrscheinlich  wichtigste Narkosemedikament. Es gibt kein Medikament was mehr mit einem Berufsbild verknüpft ist. Ein Anästhesist ohne Propofol, das ist wie ein Chirurg ohne Messer. Ein guter Anästhesist kann Narkose auch mit anderen Medikamenten machen, manchmal gibt es auch gute Gründe warum wir primär gar kein Propofol einsetzen. Zum Beispiel bei einer bekannten Allergie, zur eiligen Sectio bei einer Schwangeren oder auch beim schwer herzkranken Patienten bei dem die gefäßerweiternde (entspannende…) Wirkung des Propofols vermieden werden soll.
Wenn wir aber die Wahl haben, würden wir immer Propofol nehmen. Es ist uns sehr vertraut, kein Medikament spritzen wir häufiger. Es macht ein schönes Einschlafen, ist sicher steuerbar, hat nur wenige und dabei sehr gut beherrschbare Nebenwirkungen.
All dies macht Propofol zu dem Medikament in der Anästhesie.
Ja, wir können auch mit Alternativen umgehen und Narkose kann man auch relativ problemlos ohne Propofol machen. Die Alternativen haben aber teils erhebliche Nebenwirkungen die wir nur ungern in Kauf nehmen.
Kommt es zu einem längerfristigen Lieferengpass werden wir Alternativen auch bei Patienten wählen müssen, bei denen wir gar keine Alternativen wollen.
Midazolam als Alternative für die Langzeitsedierung auf Intensivstationen hätte dort massive Nachteile. Es hat eine viel, viel längere Halbwertszeit, es reichert sich auch in geringer Dosis in enormen Mengen im Körper an. Dieser Effekt ist noch vermehrt bei älteren Patienten – dem Großteil unseres Patientenkollektivs auf der Intensivstation. Ganz vereinfacht gesagt würden Patienten letztendlich deutlich länger auf Intensivstationen liegen, wir würden die Patienten schlechter wach bekommen, hätten mehr Langzeitbeatmete. Das ganze bei ohnehin schon knappen Intensivkapazitäten wäre zumindest suboptimal.
Für fast jedes Medikament gibt es Alternativen, die wir im Notfall auch nutzen werden müssen. Was bleibt uns auch sonst übrig?
Wir werden entweder mehr oder weniger zähneknirschend auf Medikamente wie Midazolam, Ketamin oder auch Thiopental (was übrigens schon seit über einem Jahr kaum lieferbar ist) zurückgreifen.
Gibt uns der Körper des Patienten vor, dann akzeptieren wir das und finden einen anderen Weg. Das ist unsere Aufgabe als Ärzte, dafür sind wir ausgebildet.
Es fällt schwer zu akzeptieren, dass wir Ärzte uns in unserer Therapiefreiheit auch den wirtschaftlichen Gesetzen eines globalisierten Marktes unterwerfen müssen.
Als das @twankenhaus darüber twitterte war die Empörung groß.
Da wird dann auf die raffgierigen Pharmaunternehmen geschimpft und dass @jensspahn endlich mal aktiv werden solle. Ein Einsatz für !!1!1! und Großbuchstaben. Das sind dann aber auch meist die gleichen, die schimpfen weil sie ja sowieso schon jeden Monat so hohe Beiträge an die Krankenversicherung zahlen.
Wir wollen alle möglichst billig einkaufen und möglichst viel Geld auf dem Konto haben. Darin unterscheiden wir uns nicht im geringsten von genau den Konzernen die wir anprangern. Pharmakonzerne existieren nicht aus Uneigennützigkeit, sie dienen nicht dem Humanismus sondern dem Kapitalismus.
Wenn wir mehr Sicherheit in der Versorgung, akzeptable Arbeitsbedingungen und eine allgemein bessere Versorgungsqualität im Gesundheitssektor wünschen, dann müssen wir dafür bezahlen. Es ist eine Frage der Prioritäten und im Moment und eigentlich seit mindestens 15-20 Jahren scheinen die Prioritäten eben woanders zu liegen. Wir haben das System alle gemeinsam kaputt gespart und lange durch erheblichen, persönlichen Einsatz, durch Überstunden und mit überdurchschnittlichem Engagement bis hin zum burn-out am Leben gehalten. Wir haben kompensiert und neutralisiert, sind von Feuer zu Feuer gerannt und haben versucht die kleinen und großen Brände zu löschen. Und all die aufreißenden Löcher, die wir über viele Jahre noch flicken konnten reißen nun immer weiter auf. Wir kompensieren nicht mehr, wir akzeptieren und resignieren. Längst schon sterben Menschen weil wir Intensivkapazitäten absagen müssen. Wir sagen „wir haben keinen Platz“ und meinen „wir haben Platz aber kein Personal“.
Und jetzt haben wir eben auch teilweise keine Medikamente mehr.
Jemand sagte mal heute wären die guten alten Zeiten, von denen wir in 20 Jahren sprechen werden. Ich möchte mir nicht vorstellen, was das konkrete bedeutet. Allmählich beginne ich aber zu verstehen, was das in Zukunft bedeuten könnte.

Nachtrag:
Wenn ich mal meine bescheidene Meinung als hier in Deutschland praktizierender Arzt äußern darf – es wäre schön, wenn die große Politik in Berlin und der kleine Mann am Kiosk sich mal langsam den wirklich wichtigen Themen zuwenden könnte.
Wenn man schon nicht aus eigentlich selbstverständlichen, humanistischen Gründen Geflüchtete willkommen heißen mag, dann vielleicht aus einer ganz egoistischen Motivation. Wir haben tausende offene Stellen im Gesundheitssektor und es wäre uns allen sehr damit geholfen, wenn wir Fachkräfte gewinnen. 
Ob es denen da Rechtsaußen passt oder nicht, aber diese Fachkräfte können und werden nicht nur aus Deutschland kommen. Ein wichtiger Anfang wäre deshalb schon mal damit gemacht, wenn wir als Land für Fachkräfte attraktiv werden. 
Wir können also selbst entscheiden ob wir unsere Energie in Gastfreundschaft oder in Hass und Hetze investieren. Ob ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen und hier bleiben wollen, hängt nämlich vor allem sehr davon ab, welches Bild wir nach außen vermitteln und im Alltag leben.
Es wird nicht ohne Folgen bleiben, wenn wir so arrogant und dumm bleiben, dass wir denken, dass alle hier in unser tolles Deutschland kommen wollen und nur wir mit dem goldenen Stempel entscheiden wer kommen und bleiben darf und wer nicht.
Das ist mitnichten so.
Wer sich beispielsweise mal mit syrischen Ärzten unterhält, wird sehr schnell merken, dass es neben Deutschland viele andere attraktive Länder gibt. Ein Kollege von mir hat Angst um seine Frau und seine Kinder. Er berichtet über fast tägliche rassistische und ausländerfeindliche Anfeindungen gegen seine Familie. In der Klinik wird er respektiert, privat erlebt er Ausgrenzung und Isolation.
Wir halten uns bereits für ganz großartige Menschen wenn wir Toleranz und Akzeptanz leben. Dabei brauchen wir nicht weniger als ein Umdenken um 180°.
Nicht „die“ brauchen uns, sondern wir brauchen „die“!
Propofol kann man ersetzen, dafür gibt es Alternativen.
Fehlende Fachkräfte kann man nicht ersetzen.

E-Überall

„Das Reisen mit der Eisenbahn bei hohen Geschwindigkeiten ist nicht möglich, da Passagiere nicht in der Lage wären zu atmen und erstickten.“

Dionysys Lardner

(1793 – 1859), irischer Physiker, Mathematiker und Enzyklopädist

E-Scooter, E-Fahrräder, E überall.
An manchen Kliniken sind selbst die Fahrgestelle für die Trage vom Hubschrauber mittlerweile elektrisch motorisiert. Die Anhöhe zur Klinik hoch zu schieben ist plötzlich auch im Hochsommer gar kein Problem mehr.
Die Digitalisierung bringt uns viel Neues, auch neue Wörter. Smombies zum Beispiel. Menschen die wie ein Zombie fremdgesteuert durch ihr Smartphone in der Gegend umherirren. Smombies eben.
Und wenn dann so ein Smombie auf einen der unerfahrenen E-Scooter-Touristen treffen die sich hier in der Stadt tummeln, dann ist der Unfall vorprogrammiert.
Erstmal sind E-Scooter Fahrzeuge mit denen man am Straßenverkehr teilnehmen kann. Das kann man mit Turnschuhen auch. Was sie unterscheidet ist, dass sich mit wenig Aufwand, fast unhörbar relevante Geschwindigkeiten erreichen lassen bei denen auch höhergradige Verletzungsmuster möglich sind – insbesondere wenn die Unfallgegner ein Auto fahren oder als Fußgänger unterwegs sind.
Und weil das neu ist und weil es neue Unfallmuster gibt und der Deutsche allem Neuen gegenüber erstmal prinzipiell skeptisch ist wird das verteufelt was da auf uns zukommt.
Tatsächlich muss man erstmal abwarten ob es wirklich so viel mehr Unfälle gibt. Vielleicht ist es nur eine Umstellung, vielleicht müssen wir einfach mal mehr aufeinander achten und Rücksicht nehmen. Diese Forderung kommt nicht vom Bundespräsidenten sondern von der DGU, der deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Im Moment hagelt es Pressemeldungen sobald jemand mit einem E-Scooter verunfallt. Die neue E-Mobilität polarisiert. Kein Käseblatt hätte berichtet, wenn dieser Unfall (41J. weiblich mit E-Scooter, falsche Richtung bei Rot über die Straße…) mit einem Fahrrad passiert wäre.
Da steht dann „Schwerer Unfall mit E-Scooter“. Man hätte auch was anderes schreiben können. Sowas wie „Schwerer Unfall nach Rotverstoß – Frau fährt auf der falschen Straßenseite und wird von PKW erfasst“. Andersherum ist es aber spektakulärer. Und weil es so nicht nur im Hamburger Abendblatt steht, sondern auch noch in 30 anderen Zeitungen und Onlinemeldungen erscheint es uns wichtig. Potzblitz, schon wieder ein Unfall mit einem E-Scooter. Schlimm diese Dinger.
Im DLF hat mal ein Soziologe dieses Phänomen gut auf den Punkt gebracht. Unsere Wahrnehmung und die Verarbeitung von Informationen funktioniert immer noch wie früher als wir in einem Dorf mit 500 Leuten gelebt haben. Die Reichweite hat sich geändert, die ganze Welt und alles Spektakuläre was in der Welt passiert kommt auf unseren Fernseher, auf Smartphone per Push-Nachricht direkt auf den Desktop und ploppt auf dem Sperrbildschirm auf. Das Dorf ist groß geworden, wir halten uns für aufgeklärt und global denkend, unsere Wahrnehmung bleibt die eines Bauern im 500-Seelen-Dorf.
Ich erinnere mich mit viel Mühe an zwei oder drei Unfälle mit Bezug zur E-Mobilität. Allesamt Rentner, allesamt E-Bikes und einmal wegen schwerer Alkoholintoxikation (nach Sturz mit E-Bike) und zwei Mal mit Antikoagulation (nach schwerem Sturz mit E-Bike) bei uns im Schockraum gelandet. Kein einziger E-Scooter-Unfall, weder im RTH, noch als Notarzt oder als Anästhesist im Schockraum. Also habe ich mal mit unseren Chirurgen gesprochen und selbst die finden, dass das für sie keine konkrete Relevanz hat.
Das ist sicher alles nicht repräsentativ und man muss da vor allem mal zukünftige Statistiken abwarten ob das wirklich alles so schlimm ist. Man muss dann mal die Gesamtzahl der Verletzungen in Verhältnis zu den gefahrenen Kilometern, zur Anzahl der Einwohner setzen und so weiter. Ein Unfall pro Woche oder auch 20 Unfälle am Tag heißen für sich erstmal gar nichts.
Für den Moment lässt sich aber sagen, dass wir hier in einem der größten Unfallkrankenhäuser mit großem notfallmedizinischen Schwerpunkt bisher keine bis kaum merkliche die Auswirkungen der E-Mobilität spüren.
Mich nerven auch die Touris, die den E-Scooter zu zweit auf der falschen Straßenseite fahren. Die sind für 1-2 Tage in der Stadt, wollen das mal testen und genau so sieht das auch aus. Klar, das nervt die Anwohner aber ich denke, dass das ein Hype ist der sich dann auch irgendwann legt wenn jeder mal so ein Ding gefahren ist.
Ehrlich gesagt wundere ich mich schon, dass wir nicht mehr relevante Kopfverletzungen haben. Gefühlt fahren 90% ohne Helm und gefährlich ist beim Roller vor allem, dass der Schwerpunkt anders als beim Fahrrad sehr viel weiter vorne liegt. Bei einer Vollbremsung muss man sich also nach hinten lehnen um zu verhindern, dass der E-Roller nach vorne umkippt.
Ich werde das mal hier zur Wiedervorlage setzen und in einem Jahr erneut berichten. Dann wird es wahrscheinlich niemanden mehr interessieren, aber manchmal ist das ja auch ganz gut zu sehen, was aus so vermeintlichen Aufregerthemen wurde.
So wie damals die Horden von BSE-Zombies, die befürchtet wurden. Aber vielleicht kommt das ja auch noch.

Spahn macht Ernst.

Was wie eine neue Rubrik des NEO MAGAZIN ROYALE klingt ist vielleicht das neue große Ding aus Berlin. Jens Spahn hat sich die Betreiber von Beatmungsheimen und sogenannten Beatmungs-WGs vorgenommen.
Und ich finde das richtig gut.

Das Thema ist seit Jahren (SPIEGEL-Artikel von 2017, Welt 2012) überfällig und eigentlich eher ein alter Hut. Weil sich aber niemand so richtig an dieses heiße Eisen getraut hat, konnten seit den 90er Jahren zunehmend geschäftstüchtige Anbeiter Beatmungs-WGs aufbauen.
Die Krankenhäuser haben sich gefreut, weil sie endlich ihre lästigen dauerbeatmeten Patienten los werden die von den Reha-Kliniken abgelehnt wurden. Die Betreiber der Beatmungs-WGs haben sich gefreut, weil sie an jedem der Patienten richtig viel Geld verdienen. Und die Krankenkassen haben brav bezahlt.
Verlierer ist die Allgemeinheit, die die Kosten tragen muss.

Wer wissen will worum es da geht darf sich gerne mal hier zu „Beatmungs-WG“ belesen. Der Fachausdruck dafür lautet übrigens außerklinische Intensivpflege und damit kann man eine Menge Geld verdienen.
20.000€ im Monat sind viel Geld und die sind auch gerechtfertigt – wenn, ja wenn man Intensivpflege außerklinisch auch mit dem nötigen, personal- und materialintensiven Aufwand betreibt.
Wenn man aber die Kosten drückt – und das am besten bei gleichbleibenden Einnahmen – dann fängt die Sache an lukrativ zu werden.
Wie man das am Besten macht kann man sich unter anderem hier sehen. Klar gibt es auch Erfolgsgeschichten, die Vorzeige-WGs die intensivpflichtigen Menschen ein Leben außerhalb der Klinik ermöglichen. Menschen die beatmet werden müssen aber die aus der Klinik raus wollen und in einer gemütlichen, häuslichen Umgebung leben wollen. Wie eine normale Wohnung eben. Natürlich gibt es die auch und es ist in dieser Diskussion wichtig hier die Guten von den Bösen zu trennen. Wir müssen aber vor allem über die Bösen reden. Menschen die unter Vortäuschung falscher Tatsachen pflegerische Versorgung vorheucheln und nur materielle Interessen haben. Da agieren windige Geschäftemacher unter dem Deckmantel der Menschlichkeit und missbrauchen für den finanziellen Gewinn PatientInnen die sich nicht dagegen wehren können.

Mein erster Kontakt mit einer solchen Beatmungs-WG muss ziemlich genau 2005 gewesen sein. Damals war ich im Rahmen eines Praktikums auf Hausbesuch mit einem niedergelassenen Allgemeinmediziner, welcher mit mir einen Patienten besuchte.
Im Vorfeld bot er mir sogar an den Nachmittag frei zu machen, was ich als hochmotovierter Jungmediziner natürlich ablehnte. Ich wollte Hausbesuche machen. Hinterher zeigte sich, dass er nicht an einer Verbesserung meiner Work-Life-Balance interessiert war sondern daran, dass ich diese Beatmungs-WG nicht von Innen zu sehen bekomme.
Der Besuch selbst war ihm sichtlich unangenehm. Das Haus war von außen ein komplett unscheinbares Wohnhaus, darüber und darunter befanden sich weitere Wohnungen.
In einer dieser stinknormalen Wohnungen von ca. 100qm waren in zwei Einzelzimmern und in zwei Doppelzimmern insgesamt sechs PatientInnen in einem Pflegebett untergebracht. Alle sechs waren über eine Trachealkanüle beatmet. Fünf von sechs PatientInnen guckten an die Decke, eine Kommunikation mit der Außenwelt war nach allem was ich beurteilen konnte nicht möglich.
Ein Patient schien zumindest mit Blicken im Raum das Geschehen verfolgen und es machte den Eindruck als wenn er zumindest zeitweise wahrnehmen würde was um ihn herum geschah.
Eine adäquate Kommunikation erschien mir auch hier nicht möglich, es wäre unmöglich gewesen den Willen des Patienten zu befragen, dennoch erschien es mir so als wenn eine innere Abwehr gegenüber pflegerischen Handlungen sichtbar wäre.
Gemeinsam mit den sechs PatientInnen lebte hier auch eine Pflegekraft.
Eine Pflegekraft für alle sechs PatientInnen.
Es bimmelte mal hier und mal da, eigentlich war ständig etwas zu tun. Absaugen, Filter wechseln, PEG piept, PEG-Beutel (mit künstlicher Ernährung) wechseln, wieder absaugen.
Alle acht Stunden wurde gewechselt, kurze Übergabe, nächste Pflegekraft übernimmt. Alleine mit sechs IntensivpatientInnen. Ach so Moment – Bewohner! Bewohner hieß das. Da wurde großen Wert drauf gelegt, dass das keine PatientInnen sind. Voll versorgt mit künstlicher Ableitung von Stuhl und Urin (SPFK) und voll ernährt über eine PEG, kontinuierlich assistiert beatmet. Aber hey – Bewohner. Keine Patienten.
Die Wohnung gehörte offiziell unserem Patienten, nennen wir ihn Herrn Huber. Herr Huber hatte wiederum fünf Jahre vorher einen schweren Schlaganfall erlitten in dessen Folge es zu einem fulminantem Untergang nahezu des kompletten Hirngewebes kam. Er wurde damals erst operiert (kraniotomiert) und wurde im Verlauf der weiteren intensivmedizinischen Therapie nicht mehr richtig wach. Kein Wunder, es fehlte nahezu das komplette Gehirn. Die Familie drängte auf eine Fortsetzung der Therapie, ein Ableben des Patienten wäre mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen verbunden gewesen. Als Leiter eines Unternehmens hatte er es versäumt den Nachlass zu regeln, die Firma wäre zerschlagen worden. Herr Huber hatte wohl aber diverse Versicherungen abgeschlossen. Krankentagegeldausgleich, Rente, ein ganz gutes Einkommen war das.
Ein Familienmitglied organisierte dann eine 24h-Betreuung. Zunächst zuhause waren die Kosten enorm, es musste eine andere Lösung her. Irgendwie kam dann noch ein Patient dazu und dann noch einer und am Ende stand diese WG in der sechs Menschen die mal ein eigenes, selbständiges und selbstbestimmtes Leben hatten am selbigen gehalten.
Darf man das? Möchte das irgendjemand? Ich kenne niemanden der das für sich wünschen würde. Niemanden, nicht einen einzigen Menschen kenne ich.
Aber ich habe in meiner beruflichen Laufbahn unzählige Gespräche mit Angehörigen geführt, die einen solchen vegetativen Zustand als akzeptabel bewerteten. Sicher nicht optimal, aber immer noch besser als der Tod. Es ist nicht das Ende. Solange der Körper noch warm ist, lebt er noch und vielleicht wird er ja wieder wach.  Solche Dinge und ähnliches redet man sich dann ein um eine solche Entscheidung sich selbst gegenüber rechtfertigen zu können.
Keiner der Angehörigen war glücklich mit der Entscheidung, letztlich waren die wenigsten aber so konsequent den Weg zur Terminierung der Intensivtherapie zu gehen.
Herr Huber war jetzt also zuhause, die Pflege war kostenintensiv. Eine Freundin der Familie arbeitete auch als Pflegekrat bei Herrn Huber und kam dann irgendwann mit der Idee man können ja noch zwei Patienten dazu holen, dann könne man die Kosten dritteln. Sie organisierte ab da den Schichtdienst, ihr Mann übernahm die Verwaltung und Abrechnung. Und natürlich blieb es nicht bei drei PatientInnen sondern es kamen noch mehr dazu.
Die Einnahmen sprudeln, die Kosten bleiben überschaubar. Ein Problem sind die Qualifikation des Personals. Da arbeiten dann auch mal Altenpflegehelfer die in Beatmungspflege angelernt werden (oder auch nicht) und die sollen dann das machen was man Intensivpflege nennt.
Die Krankenhäuser freut es, auf Intensivstationen sind Bettplätze ein rares Gut. PatientInnen die nach einigen Wochen Therapie keinen Fortschritt zeigen wird man dort gerne los.
Behandlungsplätze in Weaningkliniken (das sind Kliniken die sich darauf spezialisiert haben PatientInnen von Beatmungsgeräten zu entwöhnen) sind schwierig zu finden.
Bei multimorbiden Patienten wird die Anschlussheilbehandlung auch gerne mal unter Hinweis auf das fehlende Rehabilitationspotenzial abgelehnt. Diese Menschen fallen ein ein Versorgungsloch.
Ein aktuelles Fallbeispiel – eine fortgeschritten demente, 85jährige Dame stürzt im Pflegeheim auf den Kopf, nach dem Sturz trübt sie ein, wird bewusstlos. Notarzt und Rettungsdienst versorgen die Patientin, intubieren, bringen die Dame in unseren Schockraum. Nach Diagnostik einer Hirnblutung erfolgt die neurochirurgische Operation mit Ausräumung der Blutung. Die Dame wird nicht richtig wach, Schutzreflexe sind nicht ausreichend vorhanden, am 8. Tag wird nach frustranen Extubationsversuchen dillatiert. Eine AHB wird abgelehnt (kein Rehapotential), die Geriatrie lehnt ab (Die ist beatmet mit einer Trachealkanüle, sowas machen wir hier nicht, da können wir unsere Komplexpauschale nicht abrechnen), Normalstation mit Trachealkanüle geht auch nicht. Weaningklinik lehnt ab (zu alt, zu wenig Potential) und das Krankenhaus will nur noch eins: diese Frau loswerden. Wir haben die OP gemacht, jetzt brauchen wir das Intensivbett für andere OPs.
Erst im Frühjahr haben zwei weitere Beatmungs-WGs aufgemacht und einen Anruf später heißt es – klar, kann kommen. Krankentransport bestellt, Papiere fertig, Tschüss und gute Reise.
Die Dame wird jetzt bis ans Ende ihres Lebens beatmet an die Decke gucken und das kostet uns alle  20.000€ im Monat. Hätte man entweder gar nicht erst operiert oder nach erfolgter OP versucht sie mit intensiver Logopädie, Schlucktraining und Atemtraining von der Beatmung zu entwöhnen hätte das sicher viel Geld gekostet, langfristig aber ihr ein besseres Leben ermöglicht und Kosten gespart.

Als Notarzt war ich oft in Beatmungs-WGs und habe teils katastrophale Zustände vorgefunden. Ich habe ein Beatmungsgerät gesehen bei dem Mullbinden auf den Lautsprecher geklebt wurden damit der ständig bimmelnde Alarm „nicht so nervt“. Hygienische Mängel (unsterilisierbare Einmalprodukte wurden mehrfachst verwendet, Einmal-Trachealkanülen ausgekocht und über Monate benutzt),  Qualifikationsdefizite („Ich bin neu hier, ich habe meine erste Schicht, ich war vorher in der ambulanten Pflege.“) sind nur ein Teil.

Wie genau die Änderungen aussehen sollen die Jens Spahn sich da überlegt und wie sie sich dann vor allem in der Realität auswirken werden ist noch nicht klar. Ich halte es aber aus persönlicher Erfahrung für dringend notwendig, dass am besten bei jedem einzelnen Patienten eine Bedarfsanalyse gemacht wird und diese Beatmungs-WGs verschärften Kontrollen unterzogen werden.
Unangemeldete Kontrollen und verbindliche Vorgaben zur Mindestqualifikation für das eingesetzte Personal würden helfen die schwarzen Schafe zu finden. Eine angepasste Vergütung die weniger Anreize setzt PatientInnen beatmet von einer Intensivstation in eine solche WG abzuschieben wäre ein Anfang.
Die Gegner der Reformpläne sehen das Ende des Goldesels gekommen und werden nicht müde Vorbild-Konzepte zu präsentieren. Ja, die gibt es, aber sie sind nicht repräsentativ. Es gibt sicher vereinzelte WG-Konzepte für Schwerkranke und künstlich beatmete PatientInnen bei denen der Patient und die Besserung der Lebensqualität im Mittelpunkt steht.
Mir sind aber vor allem die Negativbeispiele bekannt. Dubiose Betreiber die sich nicht in die Karten gucken lassen.
Es wäre schön, wenn sich daran etwas zum Guten ändern würde.
Ich würde es Jens Spahn wünschen, dass er mal wirklich einen nennenswerten Erfolg für die Allgemeinheit erreicht, dass kriminelle Handlungen beendet werden und dass am Ende ausnahmsweise mal die betroffenen Patienten gewinnen.