Das 1. Mal – Auskunft auf einer Intensivstation

Hallo Besucher,

Sie sind sehr besorgt, weil wir einen Menschen in unserer Obhut haben um den Sie sich Sorgen machen. Das tun wir auch.
Was uns unterscheidet sind die Werkzeuge und Techniken die wir einsetzen, damit es dem von ihnen geliebten und von uns behandelten Menschen bald wieder besser geht. Und die Sprache. Im Notfall Hörer abnehmen
Die Abläufe, Therapieansätze und die Organisation einer Intensivstation sind relativ kompliziert und deshalb benötigt man auch sechs Jahre Studium, fünf Jahre Facharztausbildung, ein Jahr Zusatzausbildung und diverse Weiterbildungsmaßnahmen um Intensivmedizin so richtig verstehen zu können. Deshalb wird ihnen der Sohn der Nachbarin (der arbeitet bei der Feuerwehr), die Suchmaschine ihres Vertrauens („Intensivstation Aufenthalt zeitraum“) und auch nicht die Bäcker.blume die Antworten geben können die Sie hören wollen.

Die für Sie relevanten Information hat immer die Pflegekraft die den von ihnen geliebten Menschen umsorgt. Ja, Sie wollen einen Arzt sprechen und das kann ich auch verstehen. Wenn Sie auf einen deutsch sprechenden Arzt treffen der sich darin versteht ihnen komplexe Sachverhältnisse in einfachen Worten ohne Fachtermini erklärbar zu machen, der Zeit für Sie hat und Sie nicht mit mehr Fragen als Antworten zurück lässt – dann sollten Sie den Tag nutzen und schnell noch einen Lottoschein ausfüllen. Die Kombination ist extrem selten.

Sie werden als Angehöriger nicht nachhaken sondern brav nicken („subarachnoidal eingeblutet… Mhm… infauste Prognose… Mhm… massive Mittellinienverschiebung… Aha… destruierendes Ödem“) und am Ende fragen ob alles wieder gut wird. Es liegt in der Natur des Menschen ungern zuzugeben, dass man von einer bestimmten Materie nichts versteht. Ein guter Arzt weiß das vorher und lässt den Angehörigen gar nicht erst in diese Falle laufen.
Machen Sie sich nichts vor – Sie sind nicht vom Fach. Und keiner erwartet das von ihnen. Also haken Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen. Und notieren Sie die Fragen zuhause. Im Krankenhaus sind die Eindrücke oft so heftig, dass die ganzen Fragen die zuhause noch so präsent waren plötzlich – verschwinden.

Nutzen Sie den Erfahrungsschatz und die Nähe der Krankenpflegenden zum Patienten. Sie sind es, die die Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen haben. Kann er mich hören? Hat sie schon etwas gesagt? Konnte er etwas essen? Benötigt er immer noch so viel Kreislaufunterstützung? Funktioniert die Niere wieder ausreichend? Wie lange wird er noch hier bleiben?

Ich kann ihnen was über die 2x2h-Clearance, über den verbesserten Cardiac-Index und die morphologischen Veränderungen im cCT erzählen, aber bringt Sie das weiter?
Auf die wirklich dringendsten Fragen wird ihnen von uns sowieso niemals eine Antwort geben. Damit kann man nur falsch liegen.
Ob eine bestimmte Erkrankung tödlich ist oder wann genau die Behandlung auf der Intensivstation beendet sein wird lässt sich nur in ganz wenigen Einzelfällen sagen.

Ich würde mich freuen, wenn mehr Angehörige der Kompetenz und Erfahrung unserer Pflegekräfte vertrauen würden. Das sind sehr gute Leute! Die haben drei Jahre eine Ausbildung gemacht und dann noch zwei Jahre eine Fachweiterbildung für Intensivpflege. Die wissen sehr genau was sie da tun und noch mehr – die wissen was der Mensch benötigt um den Sie sich gerade so sorgen.

Wenn Sie also das nächste Mal „einen Arzt sprechen“ wollen auf der Intensivstation – überlegen Sie noch einmal ob die betreuende Pflegekraft nicht der bessere Ansprechpartner ist.

Mein Freund. Mein Helfer.

Die Polizei, Dein Freund und Helfer
Die Polizei, Dein Freund und Helfer.

Ich erzählte ja von denen die nicht wollen, denen die nicht können und denen die nicht wollen und nicht können. Im medizinischen Bereich ein Phänomen was sich vermehrt ausbreitet und wo sich mir zumindest die Ursachen erschließen. Ärztemangel, kaputt gespartes Gesundheitssystem, fehlende Investitionen etc.
Neuerdings ist mir aufgefallen, dass wir damit aber nicht alleine dastehen! Ich rede jetzt nicht vom Handwerkerpfusch oder Serviceverhalten einzelner Telekommunikationskonzerne sondern von der Polizei. Ja, Dein Freund und Helfer.
Die Polizei war für mich immer gesetzestreue Kompetenz in Sachen Strafverfolgung, Bürgerschutz und Ansprechpartner in der Not. Mein Glaube daran, dass die Polizei potentielle Straftäter verfolgt war unerschütterlich. Na gut, wo Menschen arbeiten wird manchmal auch geschlampt. Ist wohl überall so.
Aktueller Fall:
Pat. kommt nach Hochrasanztrauma als verunfallter Fahrer eines großen Paktetlieferanten in unseren Schockraum. Der Beifahrer kommt schwerverletzt in die Nachbarstube und wird vom zweiten Traumateam versorgt. Unseren Schockraum füllt schon sehr bald der kalt wabernde Nebel eines Foetor alcoholicus. Wenn es Passivraucher gibt, dann sind wir gerade zu Passivtrinkern geworden. Egal, ich schweife ab… kurzum – der Kunde hat eine Fahne.
Dieser Umstand ist weder zu ignorieren, noch zu überriechen. Die Polizei wartet artig im Ambulanzbereich bis Sie nach erfolgter Diagnostik zu unserem Patienten dürfen um „ein paar Fragen zu stellen“. So weit die Routine.
Und gehen wieder.
Bei Verdacht auf einen Verkehrsunfall unter Drogeneinfluss (und dazu gehört ja auch der Alkohol) muss immer eine Blutprobe abgenommen werden. Der im Krankenhaus gemessene Äthylalkoholwert kann unter Umständen wohl im Prozess angefochten werden, weil ja ggf. zur Desinfektion ein alkoholhaltiger Tupfer verwendet wurde. Deshalb führt jedes Polizeiauto ein Blutentnahmepäckchen mit in dem ein Blutentnahmeröhrchen nebst alkoholfreiem Hautdesinfiziens enthalten ist.
Narkosearzt tippt Herrn Wachtmeister – klopf, klopf – auf die doppelt besternte Schulter. Ich versichere mich nochmal, dass sie das Päckchen doch gleich bestimmt auf die Intensivstation bringen würden.
Verständnisloses Kopfschütteln.
– Wegen der Blutentnahme.
Ratlose Mundwinkel.
– In unseren Tupfern ist ja Alkohol…
Im seinem Kopf läuft „Itchy und Scratchy“
– … und in unserem gemeinsamen Kunden ja offensichtlich auch. Nö?
Es tut sich was.
Ja! Na klar, müsse ja noch, man sei unterwegs, komme gleich wieder, klaro, wollten wir ja sowieso.
Sie kamen nicht wieder.
Und der Patient der offensichtlich im volltrunkenen Zustand sich selbst und seinen Beifahrer kaputt gefahren hat wurde nie strafverfolgt. Ein (vor Gericht nicht verwertbarer) Atemalkoholtest wurde ebensowenig angeordnet wie eine polizeiliche Blutentnahme. Und ich frage mich – warum?

Was, wenn selbiger Paketbote nächsten Monat nicht vor einen Baum sondern gegen den Großfamilienkombi fährt?
Ein vergleichbares Ereignis ist mir vorletzte Woche erneut passiert und ich komme so langsam ins Grübeln. Hat das System? Scheuen die den Aufwand? Darf man das fragen? Macht man sich dann schon strafbar? Ist so eine Blutprobenanordnung viel Arbeit und Schreibkram? Falls hier ein Polizist mitliest, ich wäre um eine Antwort sehr dankbar.
Einen Bericht müssen die ja sowieso schreiben.
Es geht aber nicht nur um Blutprobenentnahmen sondern auch die oft lustlose und aus meiner Sicht vernachlässigte Asservation von Beweisgegenständen bei Straftaten. Wir haben da so einen aktuellen Fall, aber das ist mir im Moment noch zu heiß.
Wie sind Eure Erfahrungen mit der Polizei?
Ich meine nicht nur die Zusammenarbeit im Rettungsdienst sondern auch und gerade im Krankenhaus. Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen.