Wie ist es eigentlich Weihnachten so auf der Intensivstation? Oder im OP? Kann man da froh und munter sein? Man kann.
Es ist eine verschworene Gemeinschaft. Das besondere an der Heiligabend-Krankenhaus-Gemeinschaft ist die Auslese. Nimm die Chefärzte und die Oberärzte weg und setz sie bei Muttern an den gedeckten Weihnachtsschmaus-Tisch. Dann nehmen wir all die Putzfeen weg, die Saubermänner, die Logistiker, die Müllfahrer, die Heizungsinstallateure, Maler und Lackierer und sonstigen fleißigen Helferlein. Ein Notdienst oder gar Feiertagsarbeit ist tariflich nicht vorgesehen, also ab unter den Weihnachtsbaum zuhause. Schon in den Tagen vor Weihnachten werden die Patienten großzügig rausgeschmissen entlassen. Am 22. verlassen nach der Visite die selbständig gehenden das Krankenhaus, am 23. werden dann die mit Gehhilfe rausgefegt und am 24. rollen die Krankenfahrstühle (a.k.a. „Rolli“) durch den Ausgang. Hauptsache irgendwie zu Weihnachten zuhause. Kein Beatmungsschlauch im Mund? Schmerzen irgendwo unterhalb von Frisch-amputiert? Dann nichts wie ab! Nach! Hause!
Sekretärinnen schließen die heiligen Vorzimmer ab, der Pfarrer schließt die Gemeinde in seinen Segen ein und dann die Türen zu.
Und dann ist Ruhe.
Auf der Seite der Patienten bleibt also nur noch die Crème de la Crème der Bodensatz übrig. Die, denen es wirklich schlecht geht.
Und auf Seiten der Arbeitnehmer werden Pflegekräfte und Ärzte auf das unbedingt notwendige Mindestmaß zusammengestrichen. (Also im Grunde genommen so wie immer, aber das ist ein anderes Thema).
Und so sitzen wir da und sind alle an einem Ort, an dem wir nicht sein wollen, aber sein müssen. Es wird dunkel, die Kerzen sterilen LED-Imitate flackern fast schon besinnlich vor sich hin und dann kommen entgegen jede Regel doch noch Freiwillige. Nämlich diejenigen, die tatsächlich in den letzten Wochen vor Weihnachten Lieder geübt (!) haben. Sie ziehen von Station zu Station, treffen sich vor dem Schwesternzimmer und Patienten werden in Betten und mit Sauerstoff auf den Flur geschoben um dabei sein zu können. Und dann werden zwei oder drei Weihnachtslieder gesungen und für einen Moment liegt eine ganz besondere Stimmung in der Luft. Eine Stimmung die einen Geschmack davon gibt, dass es wichtigere Dinge gibt als den Grexit oder Obergrenzen für Klimaerwärmung und Flüchtlinge. Es würden sich viele Probleme lösen lassen, wenn es mehr solcher Momente gäbe. Weniger Distanz und mehr gemeinsames Singen. Kann ruhig schräg sein.
Davon ab ist es meistens einer der ruhigsten Dienste. Die wenigen Notfälle sind dann auch echte Notfälle und selbst von denen finden nur wenige den Weg als Neuaufnahme auf die Intensivstation. Denn wer es irgendwie noch schafft, schleppt sich bis zum 1. Weihnachtstag – was im Regelfall dann logischerweise ein sehr arbeitsreicher Dienst ist.
Und bei aller Ernsthaftigkeit, Professionalität und fachgerechten Durchführung der Eingriffe muss ein wenig Spielraum bleiben um diesem besonderen Moment ein Augenzwinkern zuwerfen zu können.
Frohe Weihnachten! Und – singt mal wieder ein Weihnachtslied!
Der Narko-hohoho-sedoc