Antidepressium als Raumspray?

Gibt es (noch) nicht. Würde manchmal aber ungemein helfen.
Ich habe bei der Durchsicht der letzten Einträge gesehen, dass diese doch einen etwas betrübenden Einschlag haben. Und jetzt wo selbst die Costa Concordia wieder aufrecht steht wäre es doch schön, auch hier mal wieder was erfreuliches zu lesen.
Der Grund ist einfach, dass ich auf der Intensivstation sehr oft mit Tod und den Tagen davor konforntiert werde. Da dieser Blog eben auch eine Art Tagebuch darstellt dominieren im Moment also diese Themen.
Da ich in meinem persönlichen Umfeld mehrmals und auch hier von verschiedenen Seiten über einen Tipp zur persönlichen Vorsorge gefragt worden bin, werde ich demnächst mal einfach meine Patientenverfügung veröffentlichen. Das stellt keine Beratung dar, erstetzt nicht das ärztliche Gespräch und soll doch ein Wegweiser für all jeden sein, die gerne verhindern möchten als Wachkomapatient im Pflegeheim zu landen.

Und zu dem Antidepressivum als Raumspray habe ich mal eine nette Geschichte erlebt. Im Rahmen meines Innere-Tertials des PJ’s wurde Herr Brönzel (72j, m., COPD, art. HTN etc.)  zur Optimierung seiner bestehenden Therapie eingewiesen. Er bekam dafür ein Medikament was er als Tablette einnehmen konnte und sollte morgens, mittags und abends ein Spray inhalieren. Dafür nimmt man das „Asthmaspray“ in den Mund, drückt den einzig vorhandenen Knopf und holt eben tief Luft. Fertig.
Herr Brönzel hatte einen enormen Verbrauch dieses Inhalationssprays und nach der Wirksamkeit und Anwendung eben dieser Sprays gefragt antwortete Herr Brönzel auch freimütig (ihr ahnt es bereits…) „Die Dinger helfen mir gut. Sehr gut. Immer wenn ich schlecht Luft krich, dann sprüh ich das so“ – er sprüht das Spray einem Raumspray gleich durch sein Zimmer, man meint kurzzeitig einen Regenbogen zu sehen – „und dann krieg ich auch gleich besser Luft“.
Es ist eben nicht selbstverständlich, dass Patienten so ein Ding sehen und gleich wissen, wie das funktioniert. Hier ist der Doc gefragt, Herr Brönzel kann nichts dafür. Ich weiß ja auch nicht, wie das Grundierungsmittel für die Haftfläche des Winkelstücks am  Flansch einer neu zu installierenden Toilettenschüssel zu wählen ist. Siehste. Das wiederum hätte Herr Brönzel gewusst. Also, Aufklärung ist alles! 😉

Übernahmeverschulden, Organisationsverschulden, Knast.

Einsatz auf der Bundesautobahn, Meldung „Respiratorversagen“.

Nanu, wer benötigt auf der Autobahn ein Beatmungsgerät? War da was?
Ja, ein Patient sollte in eine Entwöhnungsklinik verlegt werden mit einem Beatmungsgerät. Das verlegende Krankenhaus war der Meinung es müsse kein Arzt mitkommen, der Pat. sei seit Tagen stabil mit dem Gerät. Die den Einsatz fahrenden Mitarbeiter des Rettungsdienst (1x RA, 1x RS) übernahmen den Patienten mit Protest, dieser wurde jedoch abgewiegelt. Also fuhren sie los, auf der Autobahn (nach 10 Minuten Transportzeit) kam es zu einer Komplikation und es wurde der Notarzt alarmiert. Icke. Problem gelöst, umgedreht (im nächsten Autobahnkreuz…) und ab nach Hause. Dort ein saftiges Protokoll ausgefüllt und mit freundlichen Grüßen abgeliefert. Das gab dann auch noch ein Gespräch mit dem ärztlichen Leiter unseres Rettungsdienstes und insgesamt wohl viel Schreibkram für andere.

Jeder arbeitet gerne selbständig. Das machen schon Kinder so die, sobald sie sprechen können alles mit „Kann alleine“ kommentieren. Als Berufsanfänger war ich sehr glücklich in der Anästhesie sehr früh, sehr viel alleine machen zu dürfen.
Dies geschah immer unter Aufsicht eines erfahreneren Arztes und niemals ohne das dieser erfahrenere Arzt nicht der Meinung gewesen wäre mir diese Aufgaben zuzutrauen.
Im Rahmen eines bis dahin sehr ruhigen Dienstes rief mich der Neurologe an. Er habe da einen Patienten, Blutung im Kopf, Verlegung zum Maximalversorger mit neurochirurgischer Interventionsmöglichkeit notwendig. Da diese Patienten theoretisch „einklemmen“ können (das Blut dehnt sich aus, drückt wichtige Hirnbestandteile zusammen und es kommt zu Atemaussetzern etc.) werden sie nach Absprache in unserem Haus auf dem Transport vom diensthabenden Anästhesisten begleitet. Das wäre dann ich.
Mein Oberarzt kam ins Haus, setzte sich für mich so lange auf die Intensivstation und ich fuhr also nach Essen. Ich brachte den Patienten noch wach und ansprechbar in die Großstadt, bei der Übergabe fiel auf, dass der Patient quasi zusehends müde wurde und dann auch rasch intubiert werden musste. Alles kein Problem, hätte ich mir auch zu dem Zeitpunkt alles zugetraut. Der Patient war bereits im Uniklinikum und damit sicher versorgt, es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Unterversorgung.
Der Haken an der Sache ist: ich hätte da gar nicht mitfahren dürfen! Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht die sgn. „Fachkunde Rettungsdienst“, die behördliche Erlaubnis als Notarzt fahren zu dürfen. Laut Rettungsdienstgesetz meines Bundeslandes sind sgn. „Sekundärtransporte“ (arztbegleitete Transporte von Krankenhaus zu Krankenhaus) zwingend notwendig von einem Notarzt zu begleiten. Nicht von irgendeinem Arzt sondern von einem Notarzt. Ob der begleitende Arzt jahrelange Berufserfahrung mitbringt ist egal, er muss den Notarztschien haben.
Wenn diesem Patienten irgendetwas passiert wäre, hätte ein Anwalt (und Patienten oder deren Angehörige flirten heutzutage gerne mit Anwälten) als erstes nach meiner Qualifikation geschaut. Dann hätte er gesehen, dass ich den Schein nicht habe, nicht in die Geräte eingewiesen bin, den Patienten quasi per definition nicht adäquat hätte versorgen können.
Auf gut deutsch: ich wäre dran gewesen! Und da als Mediziner ein Bein mit der Approbation im Knast steht hätte ich das andere gleich dazu stellen können.

Was mich daran so ärgert: mein Arbeitgeber hält bis heute an dieser Regelung fest. Ständig werden arztbegleitete Transporte von jungen Kollegen und Kolleginnen begleitet die rein rechtlich gesehen dort nichts zu suchen haben. Dass die das medinisch können steht außer Frage, aber darum geht es nicht. So kann man ohne etwas böses zu wollen sehr schnell sehr viel Ärger bekommen. Ein klassisches Organisationsverschulden („der Auftraggeber / das Krankenhaus bringt mich in diese Lage…“) aber ohne mein Wissen auch ein Übernahmeverschulden („ich übernehme eine Tätigkeit für die ich eigentlich nicht ausgebildet bin“). Es ist kompliziert.
Die Lösung wäre übrigens  gewesen den Notarzt (112) zu alarmieren und ihn den Sekundärtransport begleiten zu lassen. Wäre in dem Fall der medizinisch bzw. fachlich aufwendiger aber juristisch einwandfreie Weg gewesen.

Ich kann nur allen jungen Dienstärzten und Rettungsassistentenhelfernsanitätern dringend ans Herz legen sich solche Regelungen genau anzuschauen. Bauchschmerzen sind ein guter Anwalt. Man sollte darauf hören.
Fazit für mich:
Es ist wichtig zu wissen, was man kann, was man darf und was man nicht darf auch wenn man es kann. Und überhaupt.