Es tut mir leid… NICHT. Ein Rant.

ICH WARTE SEIT DRÖLF STUNDEN !11!1!
„Das kann ich verstehen, es tut mir sehr leid…“

ICH WARTE SEIT DRÖLF STUNDEN !11!1!
„Wir hatten einen Notfall dazwischen, es tut mir sehr leid, dass sie warten mussten, aber…“ 

ICH WARTE SEIT DRÖLF STUNDEN !11!1!
Ich bitte um ihr Verständnis, wir sind aktuell nur zu zweit für 12 Plätze in der Notaufnahme, es tut mir leid, aber…“

Freunde der Gesundheitszunft – hört auf Euch für Dinge zu entschuldigen, für die ihr nichts, aber auch gar nichts könnt! 

Es ist nicht unsere Schuld, dass zu wenig Mitarbeiter eingestellt sind um die unzähligen Patientinnen und Patienten zu behandeln. Es ist nicht unsere Schuld, dass die wenigen verbliebenen Mitarbeiter unter der Last der Arbeit mit Rückenschmerzen und Burnout ausfallen.

Es ist auch nicht unsere Schuld, dass die öffentliche Hand die Verteilung von Notfällen und solchen die überhaupt keine sind nicht hinbekommt. Die halbherzigen Versuche über die 116117 oder den kassenärztliche Notdienst die Notaufnahmen zu entlasten scheitern an so vielen Seiten – das ist nicht unsere Schuld!
Die ewigen und immergleichen Entschuldigungen helfen niemanden und schaden uns selbst ganz direkt.
Unsere Entschuldigungen folgen einer ganz simplen Logik, wir möchten deeskalieren. Wir wollen keinen Stress am Arbeitsplatz, wir möchten ein-einziges-mal einen ruhigen Dienst erleben und wenn der um 14 Uhr beginnt ist der Traum meist um 14:20 Uhr zum ersten mal geplatzt. Wir versuchen es aber weiter, wollen aufgebrachte Patienten besänftigen, randalierende Betrunkene sollen unsere ZNA nicht kaputt machen. Außerdem möchten wir, dass die Patienten sagen – hier wurde mir gut geholfen, die haben klasse Arbeit gemacht. Wir wollen stolz auf unsere Arbeit sein und wir möchten nicht, dass Patienten schlecht gelaunt sind.
Wenn wir mit immer weniger Personal auch noch die x-te Schicht übernehmen, Überstunden machen, uns die Hacken abrennen und auf Pausen verzichten – alles nur um den lieben Patientinnen und Patienten bestmöglich zu helfen, dann führt das nur zu einer einzigen Konsequenz:
„Da oben“ wird man denken – na geht doch!
Und zack, gleich nochmal die Personalpläne für 2020 etwas zurecht gestutzt. Ging ja irgendwie auch so.

Wir bringen Kaffee, reichen Wasser, Getränkegutscheine für die Cafeteria, es tut uns sehr leid, bitte haben sie Verständnis.

Und genau das ist im Sinne der Geschäftsführung, die mit immer weniger Geld versuchen müssen den Laden auf Teufel komm raus am Laufen zu halten. Die aufgrund knapper Gelder und des negativen Jahresabschluss vom Vorjahr vor allem Personal streichen um Geld zu sparen. Mit nichts lässt sich besser Geld sparen als durch Stellenstreichung.
Das geht ganz heimlich, still und leise über sogenannte sozialverträgliche Maßnahmen. Mitarbeiter geht in Rente – Stelle wird nicht nachbesetzt. Mitarbeiterin wird schwanger? Einfach keine Vertretung einstellen und das Geld für das Berufsverbot von der Versicherung einstreichen. Lohnt sich doppelt, müssen die übrig gebliebenen KollegInnen sich die Dienste eben aufteilen.
Umso schöner wenn genau die Leute die unter der Last der Arbeit zusammenbrechen sich auch noch für die Verhältnisse entschuldigen. Wisst ihr wieviel davon in der Teppichabteilung ankommt?
Nichts. Gar nichts.
In jedem Krankenhaus in dem ich bis jetzt gearbeitet habe war die Verwaltung, die Pflegedirektion, Personalabteilung und die Geschäftsführung in einem separaten Gebäude untergebracht. Meist recht idyllisch am Klinikpark gelegen, mit bodentiefen Glasfenstern. Oder ganz oben auf dem Dach, hinter verspiegelten Panoramafenstern und dem weiten Blick übers Ländle.
Schimpfende Angehörige die sich über stundenlange Wartezeiten beschweren? Hört man nichts davon.
Die lassen ihre Wut an denen aus die schon wieder keine Mittagspause hatten, die ständig das Gefühl haben keinem gerecht zu werden. Die den Patienten notdürftig entkleidet (müssen die dann im OP machen…) mit Prothese (keine Zahnboxen mehr da!) und ohne Prämedikation (vergessen!) in die Schleuse schieben. Immer mit einem grummeln im Bauch weil man schlechte Arbeit abgeliefert hat, eigentlich weiß wie es besser ginge und es gerne auch besser machen würde aber keine Zeit, keine Zeit.
Wir entschuldigen uns bei den KollegInnen, bei den Patienten, bei den Angehörigen.
Die Personalabteilung freut sich über 10% weniger Pflegekräfte in diesem Jahr und trotzdem haben wir es „geschafft“.
Und die Geschäftsführung freut sich über geringere Personalkosten und dass am Jahresende doch noch die schwarze Null geschafft wurde.
Die QM-Abteilung redet uns ein, dass das alles ohne Qualitätseinbußen geht, die CIRS-Briefkästen haben sie aber trotzdem mal lieber abgehängt. Machen ja auch nur Arbeit diese Zettel.

Genau dieses ewige Beschwichtigen, Wagenglätten und Glattbügeln ist im Sinne der demokratisch gewählten Entscheider in den Landtagen und im Bundestag die über Gelder verfügen mit denen man in dringend benötigte Baumaßnahmen in Krankenhäuser investieren könnte.

Genau das ist es was den Krankenkassen gefällt. Die sitzen schön weit weg von der proppevollen Notaufnahme in ihren Bürotürmen und rechnen sich die Zahlen schick. Tackern, lochen, abheften – hauptsache ein fettes schwarzes Plus am Ende des Jahres.

Warum entschuldigen wir uns also ständig für alles?
Weil wir dazu erzogen wurden zu helfen.
Weil wir immer alles glatt bügeln wollen. Deeskalieren, beschwichtigen und im wahrsten Sinne des Wortes alles wieder gut machen. Die Wunde, die Schmerzen, die Aufregung, den Ärger.
Wir sind die, die alles wieder gut machen.
Das ist unser Job, dafür wurden wir ausgebildet.

Ich möchte mich nicht dafür entschuldigen, dass ein Patient am Vormittag im Lungenödem entlassen wird und ich ihn als Notarzt Nachmittags wieder mit in die Klinik mitnehmen muss. Meine Klinik.
Die Klinik auf die ich mal stolz war, die mittlerweile wie fast alle Krankenhäuser einen schlechten Ruf hat und über die es heißt „die Schwestern und Pfleger sind unfreundlich und unfähig und die Ärzte kommen nie vorbei“.
Wir schreiben Leute auf den Dienstplan die überhaupt nicht geeignet sind für Bereitschaftsdienste. Ich weise darauf hin, werde korrigiert und die Leitung sagt mir, dass es denen egal ist, Hauptsache da steht irgendein Name.

Ich entschuldige mich nicht mehr.
Ich empfehle den Patienten zum Beschwerdemanagement zu gehen. Ein Termin bei der Geschäftsführung, bei der Pflegedirektion, bei  ihrem Landtagsabgeordneten oder Bundestagsabgeordneten.
Richten Sie ihre Beschwerde an diejenigen die es nicht hören wollen.
Diejenigen die es immer noch nicht verstanden haben wie lichterloh der Baum brennt.
Wir haben es oft genug gesagt, haben ausgeholfen, sind für Dienste eingesprungen, haben Überstunden gemacht.
Ich kann es nicht mehr hören.

Probleme.

###NA Intern Sonstwo Van Aalensen Herzinfarkt SoSi Mehrfach:

Schon die Fahrt zu unserem Patienten war etwas besonderes. Es war Nacht, es war Winter und es lag eine Menge Schnee in der Lanschaft rum.
Alles wird für einen Moment blau und verschwindet dann wieder in der Dunkelheit.
Nichts von dem was ich schreibe ist übertrieben, geschönt oder aufgeblasen. Wie sonst auch. Muss man im Rettungsdienst auch nicht, das echte Leben ist absurd genug.
Wir fuhren den Hof über eine mit weißem Kies gesäumte Einfahrt an. Im Halbdunkel links nahm ich eine große, dunkle Limousine war. Vor dem Haus parkte bereits der RTW, wir stellten uns dahinter, Platz genug wäre noch für den gesamten Löschzug gewesen.
Hinter der Tür gab es eine Eingangshalle. Etwas anderes als Halle trifft es einfach nicht. 20m breit, 15m hoch, beidseits ein imposanter Treppenaufgang. Zum Glück gab es hier viel Platz für Kunst. Da hingen echte, originale Gemälde und zwar nicht von Künstlern der lokalen Volkhochschule sondern solche die man woanders als Poster kaufen kann.
Unser Patient wartete bereits im Obergeschoss auf einer Art Liegewiese (unter einem „Bett“ stelle ich mir etwas schnöderes vor) und war offensichtlich nicht gut dran. Kaltschweißig, blass und kurzatmig präsentierte er sich als offensichtlicher Stammkunde umliegender Fachkliniken. Der Pat. nahm uns viel Arbeit ab indem er gleich mal den Fahrplan festlegte.
„Ich habe einen Herzinfarkt und ich muss nach Bad Oeyenhausen“. Dazu muss man sagen, dass Bad Oeyenhausen sicher eine exzellente Wahl für diesen Patienten gewesen wäre, sich aber leider in einer Entfernung im dreistelligen Kilometerbereich befindet. Für uns und mit diesem Patienten unerreichbar.
Mein Versuch den Pat. davon zu überzeugen mit uns in eine sehr gute Klinik der Maximalversorgung direkt in der Nähe mitzukommen schlug fehl. Der gut gemeinte Tipp, dass man nach Bad Oeyenhausen ja einen Hubschraubertransport benötigen würde wurde von ihm gar nicht als Problem wahrgenommen. Er zählte flux die Mannschaft durch und gab seiner Frau bekannt, Anja (Concierge?Privatsekretärin?) solle umgehend einen Hubschrauber – nein, halt, wir sind ja zuviele für einen Hubschrauber – besser zwei Hubschrauber bestellen. Gut, es war nachts, es gab natürlich keinen Hubschrauber (für diesen Patienten…) und wir entschieden uns für den naheliegenden Maximalversorger.
Der Rettungsassistent wollte dafür kurz mit der Leitstelle sprechen. Da unsere Handys im ländlichen Bereich nicht funktionierten bat er darum kurz das Telefon benutzen zu dürfen. Er verschwand daraufhin für ein paar Minuten im Büro – und kam deutlich blasser zurück.
Wir brachten den Pat. ins Krankenhaus, es erfolgte die infarkttypische, weitere Therapie.
Es war sein dokumentierter und amtlich beglaubigter vierter Herzinfarkt bei Z.n. 3-Gefäß-KHK (mehr geht nicht) mit Z.n. Bypass-OP und Revision einer Bypass-OP… kurz gesagt, der Mann war todkrank. Letztlich muss man sagen, dass dem Mann mit diesem Herz nicht mehr viel Zeit blieb.

Auf dem Rückweg erfuhr ich dann auch warum mein Fahrer so blass aus dem Büro zurückkam.
„Du glaubst mir das nicht.“
Hau raus…
„Narkosearzt, auf dem Schreibtisch lag ein Zettel.“
Sachen gibts.
„Da stand was drauf“.
Ist der Sinn eines Zettels. Jetzt musst Du liefern…
„Rücksprache Bank erbeten, Finanztransfer empfohlen. Girokonto > 1,5 Mio.€“.
Das sind Probleme!