Meine liebste Notfall-App

Ich möchte gerne ein wenig von Euch wissen. Zuerst bekommt ihr aber natürlich etwas von mir. Ich plaudere mal aus dem Nähkästchen was ich so als Notarzt immer gerne bei mir habe.
Es geht um Apps. In einem früheren Post habe ich ja mal von den kleinen Helferlein geschrieben, die einem den Einsatz einfacher machen können. Ähnlich ist es mit Apps. Mein Smartphone habe ich eigentlich immer dabei und ich wäre ja doof, wenn ich das nicht nutzen würde.

Ein Kind, 7 Jahre, Autist, stürzt aus dem Fenster. 8m tiefer auf Steinboden aufgeschalgen, mehrfach frakturierte Arme, V.a. Unterschenkelfraktur links, Blut aus dem Ohr. Das Kind ist auf starken Schmerzreiz noch so leidlich erweckbar, weint dann vor Schmerz, dämmert aber rasch ein. Sättigung 92%, Rest o.p.B.
Hubschrauber ist bestellt, ca. 12 Minuten Anflugzeit.
Nächstes Krankenhaus bodengebunden in 15 Minuten, Traumazentrum ohne Neurochirurgie in 20 Minuten, Kindertraumazentrum mit Neurochirurgie in 55 Minuten.

Dieses Kind benötigt jetzt eine Narkose und daran führt auch kein Weg vorbei. Dafür benötigt es Medikamente. Aber wie viel?

medizinische apps die man als notarzt gebrauchen kannEs gibt das Kinder-Notfall-Lineal und andere Hilfsmittel. Es gibt auch andere Apps. Mich hat „Ana Paed“ (2,99€) überzeugt, denn es ist das einzige, bei dem ich Medikamente ergänzen kann (das kann das viel gelobte „Pedi Safe“ nämlich nicht).
So habe ich nicht nur Ketamin hinterlegt, sondern auch Ketamin S und diese jeweils in i.m., s.c. oder i.v.-Dosierung wahlweise zwecks Analgesie oder Narkose.
Ehrlich gesagt habe ich das mittlerweile auch im Kopf, aber in den Anfangsjahren war mir das immer eine Hilfe. Ich habe mir das grob im Kopf überschlagen wieviel ich wovon nehmen würde, habe nochmal bei „Ana Paed“ reingeschaut und dann meinen Plan mitgeteilt.
Mir ist die Diskussion um pro und contra lang und breit bekannt – ich habe dazu mal einen Vortrag auf einem Kongress ausgearbeitet. Es ist ganz einfach so – ich habe diese App für meine Arbeitsweise als am effektivsten kennengelernt. Auf dem Hubschrauber haben wir aber auch noch das Lineal. Meistens benötigen wir keins von beiden, aber es ist gut es dabei zu haben.

Außerdem nutze ich regelmäßig den IFAP-Index, gratis als Download im Appstore. Dort kann ich falls notwendig noch vor Ort recherchieren, ob ein Medikament aus der Hausmedikation des Patienten für mich Relevanz hat. Insbesondere die neuen, oralen Antikoagulantien haben teilweise abenteuerliche Namen die man als solche nicht unbedingt sofort erkennt.

Wenn ich auf der Anfahrt zu einem Patienten dieses „was macht man da nochmal genau“-Gefühl bekomme schaue ich gerne bei der – etwas überalteten aber kostenlosen und sehr übersichtlichen – Notmed.info-Seite rein. Großartige Arbeit des Kollegen dort drüben, leider von 2010 und teilweise nicht mehr komplett up to date. Aber egal, wenn lau, dann tau!
Ich habe mir den Link zum Glossar im Telefon „zum Homebildschirm“ hinzugefügt. Da findet man schnell mal was zur Pantherpilzvergiftung. Oder so.

Im Klinikalltag hat mir die „Bleeding Card“ (welche auch „zum Homebildschirm“ hinzugefügt werden kann) schon manches mal Orientierung gegeben.

Das sind die Apps die ich wirklich regelmäßig nutze und die mir im Notarzt-Alltag aber auch in der Klinik helfen.
Und weil man das ja heute immer dazu sagen muss: ich bekomme kein Geld dafür, das ist meine ehrliche Meinung.

Jetzt bin ich auf Eure Rückmeldung gespannt! Gibt es da draußen nutzvolle, vielleicht sogar kostenlose Tools und Apps die mir helfen können?
Vielen Dank für Eure Rückmeldungen im voraus,

der Narkosedoc!

Ich packe meine Tasche(n) und nehme mit…

… oder auch: über nützliche und unnütze Dinge, die man als Notarzt mitnehmen sollte.

1) braunes Pflaster.
Es gibt kein Klebeband, was vergleichbare Eigenschaften hat. Allergien habe ich noch nie gesehen und selbst die Leute, die eine Allergie gegen „braunes Pflaster“ (und Penicillin…) angeben bekommen höchstens mal ein oder zwei Pusteln wenn man das Zeug stundenlang drauflässt.
Mit braunem Pflaster sichere ich jede Viggo nach der Anlage (einfach zwei dicke Streifen im X drüber machen) und ein Tubus hält damit auch bei Regen/Schweiß etc. bombenfest. Außerdem kann man damit Blutröhrchen zusammenkleben, den Außenspiegel festmachen, Magensonde festkleben…

2) große Büroklammern
Eine Büroklammer an sich ist nichts weltbewegendes, biegt man sie an einem Ende auf (das was man automatisch mit ihnen macht, wenn man damit rumspielt), ergibt das einen super S-förmigen Haken. Und schon kann man die Infusionsflasche an einem Bilderrahmen, Autorehling oder rumstehenden Gaffer aufhängen.

3) Tavor expidet (oder ähnliche Präparate, Vorschläge willkommen!)
Nehmen wir an, der angekündigte Atemnotfall entpuppt sich als palliativer Patient im Endstadium eines Bronchial-CAs. Chemotherapie über periphere Venen… da ist nichts zu holen. Die Kombination einer ganzen Ampullle (oder auch mehrerer Ampullen! Pallipatienten sind ja meistens mehr gewohnt) Morphin s.c. mit einem sublingual applizierten Benzodiazepin nimmt Luftnot und Angst. Toll, wenn man sonst keine Optionen hat.

4) AnaPaed (App für Android/Apfelfon)
Unter https://itunes.apple.com/de/app/anapaed-kinderanaesthesie/id393135847?mt=8 gibt es eine App die wirklich die Anforderungen an ein hilfreiches Tool bei Kindernotfällen erfüllt. Es gibt da verschiedene Ansätze (Kindernotfalllineal, Kindernotfallband, verschiedenste Apps) aber diese hier hat mir schon wirklich geholfen. Ich kenne den Autor nicht, verdiene kein Geld daran, sondern bin einfach begeisterter Nutzer. Es gibt zusätzlich zu den vielen Medikamenten die Möglichkeit eigene Medikamente (z.B. Amiodaron) hinzuzufügen.
Ach ja, wo wir schon beim Handy sind: ein kurzes Foto vom Unfallort hilft dem erfahrenen Unfallchirurg bei der Einschätzung potenzieller Traumata. Sieht zwar komisch aus, wenn der NA erstmal sein Handy rausholt am Einsatzort, Unfallchirurgen interessieren sich bei einem Polytrauma aber sehr wohl für den Zustand von A-Säule und Airbag.