Wer nicht fragt bleibt dumm. Oder schreibt einen Kommentar unter das Youtubevideo.

„Mir hat noch nie etwas geschadet, was ich nicht gesagt habe.“
– Calvin Coolidge

Keine Ahnung zu haben ist keine Schande. Ich finde es ist eher ein Wesenszug menschlicher Größe, wenn man zugeben kann, von etwas keine Ahnung zu haben.
In den seltensten Fällen wird das aber jemand zu geben. Keine Ahnung zu haben wird als Zeichen von Schwäche, Dummheit oder auch fehlender Berufserfahrung gedeutet. Die Erfahrenen, die haben auf alles eine Antwort. „Ich erkläre Dir, wovon ich nichts versteh“ singt Herbert Grönemeyer und ich habe schon oft an Grönemeyer gedacht während meiner ärztlichen Tätigkeit.
Gerade die Medizin ist eine sehr eitle Wissenschaft und da gehört der Rettungsdienst auch mit dazu. Nicht-Wissen wird verschwiegen, stattdessen wird halbgares 5-Prozent-Wissen mit breiter Brust zum epischen Vortrag und mit einer Teigrolle in Form von unberechtigtem Selbstbewusstsein plattgeklopft und ausgebreitet wird, auf dass es noch größer (und noch platter) erscheint.
In der Präklinik arbeiten wir oft mit Spezialisten zusammen. Spezialisten für Brandschutz (Feuerwehr), für Wasserrettung (DLRG), ja selbst für so etwas scheinbar banales wie die Bereitstellung von Licht gibt es großartige Spezialisten – die Frauen und Männer vom THW. Und damit sind nur mal drei Gruppen genannt.
Ich gehöre auch zu einer Spezialistengruppe, mit unserem Hubschrauber kommen Spezialisten für Luftrettung (Piloten, HEMS) und Notfallmedizin (Notarzt) hinzu.
Jeder Spezialist hat Fachkenntnisse im eigenen Gebiet. Ich kann den Zustand eines eingeklemmten LKW-Fahrers in wenigen Sekunden einschätzen und gebe dem Einsatzleiter der Feuerwehr diese Information weiter. Gemeinsam entscheiden wir ob wir eine Sofortrettung, eine schnelle Rettung oder eine schonende Rettung durchführen. Ich habe bis heute kaum eine Ahnung davon wie man das am besten technisch anstellt, bin aber jedes Mal erstaunt wie schnell, sicher und zuverlässig die Frauen und Männer von der Feuerwehr einen Menschen da raus holen.
Es ist schon ein paar Monate her, da musst ein Patient in einem Klärwerk aus einem Schacht gerettet werden und ich habe den Spezialisten von der Höhenrettung staunend zugesehen, wie sie mit ihren zig Seilen und Karabinern den Patienten sicher und zügig an die Erdoberfläche gebracht haben.
Ich würde mir nie anmaßen die Entscheidungen dieser Gruppe anzuzweifeln oder gar in der Gruppe oder im Internet zu kritisieren.
Bei mir ist das anders. Ich bin Notarzt im Hubschrauber und erlebe regelmäßig, wie unser Verhalten, unsere Entscheidungen und unsere Handlungsweise hinterfragt, kritisiert oder auch offen kritisiert wird. Das wäre okay für mich, wenn wir das im 1:1-Gespräch unter vier Augen klären würden. Ich bin gerne bereit einem ehrlich interessierten Mitarbeiter des Rettungsdienstes zu erklären warum wir einen Patienten nicht fliegen obwohl er oder sie sich das so schön ausgedacht hatte.
Stattdessen werden wir ständig ungefragt gefilmt (EIN HUBSCHRAUBER!!), manchmal ist das Video schon bei Youtube bevor wir an der Zielklinik gelandet sind.
Bei der Zigarette danach wird dann von dem Rettungsfachpersonal diskutiert warum wir das denn so und so gemacht hätten und nicht so und man hätte ja schon alles vorbereitet und überhaupt.
Ich kenne diese Diskussionen, ich war oft genug dabei.
Das hat nichts mit einem qualifizierten Debriefing zu tun.
Ich würde mir wünschen, dass wir einfach mal ehrlich zugeben, wenn wir keine Ahnung haben. Die Spezialisten machen lassen. Sei ein guter Teamleader oder ein gutes Teammitglied.
Ein Beispiel?
Für unseren Piloten wurde eine Landestelle ausgewiesen. Feuerwehr sperrt mit einem ganzen Löschzug eine Landefläche ab. Wir gehen dort runter, starten durch und landen nicht dort sondern 300m weiter und müssen durch die Polizei mit einem Einsatzwagen an die Einsatzstelle herangeführt werden.
Ich glaube, dass da bis heute noch ein paar Leute rumlaufen die uns für komplett bescheuert halten. Genau diese Leute wissen auch bis heute nicht, dass wir von oben das verrottende Gewächshaus direkt nebenan gesehen haben, dessen Scheiben sich im Landeanflug bedrohlich anhoben und teilweise wegflogen. Abbruch der Landung, durchgestartet, neue Entscheidung für einen sicheren Landeplatz.
Ein anderes Beispiel?
Wir werden nachbestellt zu einem Verbrennungstrauma, der RTW ist bereits vor Ort. Sicher 60-70% der Körperoberfläche sind verbrannt. Wir benötigen 20 Minuten für den Anflug, in den 20 Minuten wird original nichts gemacht. Bei Übernahme stellen wir fest, dass der Patient
a) mit knapp 140kg zu schwer für den RTH
b) die Zielklinik bodengebunden gerade mal 15 Minuten weg ist
c) der Patient instabil, stark schmerzgeplagt und mit einer Spontanatmungsfrequenz von 40/min intubationspflichtig ist/wird
Selbst wenn wir den Patienten fliegen würden hätten wir mit dem Umlagern vor Ort (Monitoring wechseln, RTW-Trage auf unsere Trage), dem eigentlichen Flug (Anlassen 2 Minuten, Flug 6 Minuten, Nachlaufen der Triebwerke 2 Minuten) sowie Umlagern an der Klinik (raus aus der Maschine, rein in einen RTW, Fahrt zur Liegendanfahrt, raus aus dem RTW, quer durch die Klinik zum Schockraum) sehr viel mehr Zeit verbraucht als wenn wir bodengebunden direkt fahren.
Klar, der Weg von A nach B, der ist mit dem Hubschrauber schneller. Der lohnt sich aber erst bei längeren Distanzen, weil durch das Drumherum so viel Zeit verloren geht.

Wir haben Piloten die auf ihre Flugzeiten achten müssen. Für die Piloten ist das Wetter am Einsatzort, an der Zielklinik und an unserer Homebase wichtig. Sie achten auch darauf wieviel Krafstoff noch an Bord ist. Gerade im Sommer kann man nicht mit einem vollen Tank fliegen weil die Maschine dann zu schwer wird.
In der Luftrettung kommen Aspekte zum tragen, mit denen man im bodengebundenen Rettungsdienst im Normalfall nichts zu tun hat. Was den erfahrenen Rettungsdienstler aber nicht davon abhält der jungen RS-Azubine mit großen Worten zu mansplainen warum er die und die Entscheidung ganz anders getroffen hätte und man ja nicht allen helfen könne und die müssen ja selber wissen was sie tun.
Wir machen unseren Job, ihr macht Euren Job. Wir arbeiten alle zusammen für die eine Sache. Wir helfen Menschen, wir arbeiten gemeinsam gegen die Zeit und wollen Leben retten und das möglichst sicher und schnell.
Wir sind das #teamblau, Polizei, DLRG, Feuerwehr, THW, Bergwacht und andere. Bei uns arbeiten Pflegekräfte und Ärzte, Spezialisten verschiedenster Art, Ehrenamtliche und Hauptberufliche.

Wenn Du in einer dieser Hilfsorganisationen im #Teamblau mitarbeitest und etwas nicht verstehst – frag uns gerne. Es wird immer jemanden geben, der Dir kompetente Antworten geben kann. Meistens steht hinter jeder unverständlichen Aktion eine bisher unbekannte Information.

Vom Unfall bis zur Reha – so geht das.

Ihr fahrt auf der Autobahn, vor Euch leicht zäh fließender Verkehr. Der Verkehr wird dichter, die ersten machen ihr Warnblinklicht an.
Ihr versucht Euch wie ihr das vom Narkosedoc gelernt habt bei dem sich bildendem Stau sofort auf die linken beziehungsweise mittlere Spur zu wechseln weil ihr wisst, dass die mit Abstand schlimmsten Unfälle fast immer auf der LKW-Spur ganz rechts passieren.

So auch hier, plötzlich gibt es direkt hinter Euch einen heftigen Knall, eine Wolke aus Staub und Dreck legt sich über die Fahrbahn, Autoteile fliegen durch die Luft, danach Stille.
Es sind
die ersten Zehntelsekunden des Unfalls
die darüber entscheiden ob die entstehende Verletzung mit dem Leben vereinbar ist oder nicht. Der Abriss einer Hauptschlagader, eine geplatzte Herzhöhle – und das Leben ist hier vorbei, eine Rettung unmöglich.
Instinktiv bist Du an die Seite gefahren und stehst jetzt hinter dem Unfall.

Die ersten Sekunden nach dem Unfall.
Du wählst die 112 und Dein Handy wird automatisch an die für diesen Ort zuständige Leitstelle verbunden (genial, oder?). Der Leitstellendisponent wird Dich alles wichtige fragen.
Was ist passiert? Von wo rufen sie an? Wieviele Verletzte gibt es?
Außerdem wird es für den speziellen Notfall spezielle Fragen geben (ist die Fahrbahn noch frei oder stehen die Autos quer? Konnten sich die beteiligten Personen selber aus dem Fahrzeug befreien?).
Nun wird entsprechend dem Meldebild ein Hilfskonvoi alarmiert. Der besteht in so einem Fall meistens aus Polizei (die regeln alles rund um Aufnahme des Unfalls, Absperrung bis zur Reinigung und Freigabe der Autobahn), Feuerwehr (sichert die Unfallstelle gegen entstehendes Feuer ab, kann eingeklemmte Personen befreien und noch viel mehr!), Rettungsdienst meist mit RTW und Notarzt, bei entsprechendem Szenario wird meist auch parallel ein Rettungshubschrauber mit alarmiert.
Der Patient selber hat zwar schwere Verletzungen die vielleicht nicht stundenlang aber doch so lange zu überleben sind, bis professionelle Hilfe eintrifft. Der Körper schüttet körpereigene Schmerzmittel und kreislaufstabilisierende Moleküle aus um diesen Zustand zu überleben.

Die kritischen 60 Minuten – „the golden hour of shock“ 
Die Autobahn wird im Anschluss dann durch die meist zuerst eintreffende Polizei abgesperrt so dass der Hubschrauber dahinter landen kann. In Zusammenarbeit wird die Unfallstelle abgesichert und versucht die Patienten schnellstmöglich und dem Verletzungsmuster enstprechend schonend zu retten. So schnell wie möglich, so sorgfältig wie nötig. Ein Patient mit drohender Querschnittsverletzung ohne sonstige Probleme muss so schonend wie möglich gerettet werden. Ein stark blutender Patient wird zur Not egal wie und so schnell wie irgend möglich aus dem Fahrzeug gerettet (Crash-Rettung).
Das alles findet immer in sehr enger Absprache zwischen dem Notarzt, dem Rettungsdienst, dem Einsatzleiter der Feuerwehr und auch der Polizei statt. Sobald ungefähr klar ist was für Probleme der Patient hat wird zum Beispiel der Rettungsassistent des Rettungshubschraubers versuchen ein Bett für den Patienten zu organisieren.
Jetzt klingelt in einer großen Klinik die auf die Versorgung von Schwerverletzten spezialisiert ist (meist eine Uniklinik oder eine sgn. BG-Klinik) das rote Telefon. Die Klinik bekommt eine ungefähre Info darüber was sie wann erwartet.
Nachdem der Patient gerettet ist wird meist eine Erstversorgung entweder noch auf der Straße oder im bereitstehenden RTW gemacht. Nach Stabilisierung, Ergänzung intensivmedizinischer Maßnahmen (Narkoseeinleitung, Thoraxdrainagen o.ä.) erfolgt meist der Transport in den Rettungshubschrauber.
Der Rettungsassistent sichert den startenden Hubschrauber ab, der Notarzt kümmert sich weiter um den Patienten. Meist wird jetzt nochmal das aufnehmende Krankenhaus direkt informiert.
„Der Christoph 1 hier, wir landen um 17:20 Uhr mit einem Polytrauma bei Euch, SHT, instabiles Thorax- und Beckentrauma, intubiert, beatmet“.
In der Klinik wird nun das Schockraumteam alarmiert. Bei uns läuft das so, dass man an einem kleinen Rädchen die Uhrzeit einstellt und daneben einen roten Buzzer drückt. Dann bekommen alle für den Schockraum zuständigen Kräfte auf ihr Telefon einen Alarm der z.B. „Schockraum 17:20 Uhr“ anzeigt. Man kann auch einfach so den Buzzer drücken dann wird es ein „Schockraum SOFORT!“ das gibt den besonderen Extra-Kick 😉
Die Zeit vom Ereignis des Unfalls bis zur Übergabe in der Klinik sollte nicht länger als eine Stunde dauern. Alles was darüber hinaus geht ist mit einer deutlich erhöhten Tödlichkeit verbunden.

Das Team wird also mit dem Patienten landen, warten bis die Turbinen etwas abgekühlt und schließlich ausgeschaltet sind (das dauert nun mal zwei Minuten) und im Anschluss den Patienten ausladen und in den Schockraum bringen. Hier steht ein Team bereit, dies besteht meist aus:
Schockraum Teamleader (meist ein Arzt der Anästhesie oder Chirurgie)
Facharzt / Fachärztin Anästhesie (kümmert sich primär um Sicherung des Atemwegs, Stabilisierung des Kreislaufs etc.)
Anästhesie-Pflegekraft (nimmt Blut ab, bereitet Medikamente vor und appliziert sie, macht Narkose, assistiert dem Anästhesisten, behält den Überblick und macht 1000 Dinge mehr…)
Facharzt / Fachärztin Chirurgie (macht die erste Ultraschallaufnahme des Bauches und der Lungen und schaut ob irgendwo Flüssigkeiten sind die da nicht hingehören, legt b.B. Thoraxdrainagen)
Chirurgie-Pflegekraft (entkleidet den Patienten komplett – falls nicht schon geschehen – und assistiert dem Chirurgen z.B. bei der Anlage der Thoraxdrainagen)
Notaufnahme-Pflegekraft (kümmert sich um die Anlage eines Blasenkatheters, nimmt Blut ab, bringt dies zur Blutbank/Labor)

im Standby stehen
Facharzt / Fachärztin Neurochirurgie (macht vor der Bildgebung eine erste Basisuntersuchung, insbesondere wenn der Patient noch wach ist)

Facharzt HNO / Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie / Urologie und andere – je nach angemeldetem Verletzungsmuster

Dieses Team kümmert sich nur und ausschließlich um einen einzigen Patienten. Es ist die maximale Versorgungsstufe die wir leisten können, es gibt keine weitere Eskalation. Alle Technik und alle medizinischen Maßnahmen die überhaupt nur verfügbar sind werden eingesetzt um dieses eine Menschenleben zu retten. Das sieht chaotisch aus, läuft aber wie ein Uhrwerk nach einem Muster welches wir immer und immer wieder trainieren.
Deshalb ist es auch nicht förderlich wenn im Schockraum Praktikanten und Famulanten herumstehen die sich das mal ansehen wollen. Da sie es aber ja doch irgendwie lernen müssen bekommen Bystander bei uns hellblaue Umhänge angezogen (weil die Wände auch hellblau sind und sie so am ehesten nicht wahrgenommen werden) und müssen in einem auf dem Boden markierten Bereich stehenbleiben. Aus diesem dürfen sie nicht heraustreten, bis der Patient den Schockraum wieder verlassen hat.
Der Boden sieht sowieso wie in einer Turnhalle aus. Alles ist farbig eingezeichnet und hat einen festen Standplatz. Der Parkplatz für die Trage des Rettungsdienstes, der Parkplatz für unsere Traumaliege (die man direkt ins CT schieben kann), sogar unsere Beatmungskiste hat einen eigenen Parkplatz (und weil der Parkplatz für die Anästhesie blau ist hat irgendwann mal jemand eine Parkuhr drangehängt).
Abhängig vom Krankheitsbild gibt es ein abgestuftes weiteres vorgehen.

Extrem selten (wenige Male im Jahr) – der Patient wird noch im Schockraum notfallmäßig operiert (am Bauch, an der Luftröhre etc.) weil ein Transfer in den OP zu viel Zeit kosten würde

Selten
(wenige Male im Monat) – der Patient wird direkt in den OP gebracht, es wird keine weitere Bildgebung gemacht, der Patient wird sofort notoperiert aber mit den sterilen Bedingungen und der technischen Ausrüstung eines echten OP-Saales

Regelhaft wird der Patient nach einer kurzen Diagnostik- und Stabilisierungsphase unverzüglich in die Röhre geschoben – das heißt Computertomografie von der Locke bis zur Socke. Dabei entstehen weit über 1500 Bilder die sich der Radiologe (der nächste Facharzt im Bunde…) nun zügig anschauen muss. Das geht nach der radiologischen Devise – find first what kills first. Erstmal nach dem schauen, was den Patienten umbringt, den inkompletten Leistenbruch kann man dann hinterher noch dazu diktieren, das ist in der Regel nicht das akute Problem.
Auf Grundlage des Zustands des Patienten und der Ergebnisse der Diagnostik wird dann entschieden ob der Patient direkt in den OP geht oder erstmal auf die Intensivstation.

Die nächsten 24 Stunden  
Von der Akutphase auf der Autobahn wo Sekundenbruchteile über Leben und Tod entscheiden dehnen sich die relevanten Zeitabstände immer weiter.
Die ersten 24 Stunden werden zeigen wie der Körper es schafft mit den teils massiven Verletzungen umzugehen. Es stehen dramatische Veränderungen an, die den Kreislauf, die Blutgerinnung und Entzündungsmechanismen betreffen die auch ganz ohne Bakterien erhebliche Probleme verursachen können. Mit moderner Intensivmedizin kann der mit Abstand größte Teil der Patienten die es bis hier geschafft haben auch langfristig gerettet werden.
Die Beatmungstherapie, die Stabilisierung der Blutgerinnung, ein geregeltes Temperaturmanagement, die Vermeidung von weiteren Komplikationen wie Lungenentzündungen und Thrombosen und viele weitere Dinge müssen in einem komplexen Zusammenspiel von Ärzten, Pflegekräften, Spezialisten und den Angehörigen gemeistert werden.

Die nächsten Wochen
Der Patient wird manchmal schon nach wenigen Stunden, manchmal erst nach mehreren Tagen von der Beatmungsmaschine entwöhnt und kann aus dem künstlichen Koma erwachen. Je nach der erlittenen Schädigung kann dies auch mehrere Tage dauern.
Jetzt steht die Physiotherapie, ggf. auch Logopädie, Ergotherapie und andere ergänzende Therapieangebote im Vordergrund. Außerdem muss weiterhin kontinuierlich darauf geachtet werden, dass zum Beispiel die Magenschleimhaut keinen Schaden durch die Schmerzmittel nimmt und dass die Bettlägerigkeit nicht zur Ausbildung von Thrombosen führt.
Hauptziel ist es jetzt für den Patienten eine Anschlussheilbehandlung (früher auch Reha genannt) zu finden um schnellstmöglich eine Wiedererlangung der Selbständigkeit des Patienten zu gewährleisten.

Und für alle die sich das durchgelesen haben gibt es an dieser Stelle noch ein sehr empfehlenswertes Video.
Das Team vom SWR wollte eine Reportage über den Rettungshubschrauber drehen und war somit zufällig mit dabei als Marcelo in der Schule aus dem Fenster fiel. Das Team entschied sich dafür nicht nur den Unfall und die Erstversorgung (die schön zeigt was da so alles schief gehen kann) zu zeigen sondern auch die nächsten Tage, Wochen und Monate Maurice zu begleiten.
Sehenswert, in jeder Hinsicht.

Probleme.

###NA Intern Sonstwo Van Aalensen Herzinfarkt SoSi Mehrfach:

Schon die Fahrt zu unserem Patienten war etwas besonderes. Es war Nacht, es war Winter und es lag eine Menge Schnee in der Lanschaft rum.
Alles wird für einen Moment blau und verschwindet dann wieder in der Dunkelheit.
Nichts von dem was ich schreibe ist übertrieben, geschönt oder aufgeblasen. Wie sonst auch. Muss man im Rettungsdienst auch nicht, das echte Leben ist absurd genug.
Wir fuhren den Hof über eine mit weißem Kies gesäumte Einfahrt an. Im Halbdunkel links nahm ich eine große, dunkle Limousine war. Vor dem Haus parkte bereits der RTW, wir stellten uns dahinter, Platz genug wäre noch für den gesamten Löschzug gewesen.
Hinter der Tür gab es eine Eingangshalle. Etwas anderes als Halle trifft es einfach nicht. 20m breit, 15m hoch, beidseits ein imposanter Treppenaufgang. Zum Glück gab es hier viel Platz für Kunst. Da hingen echte, originale Gemälde und zwar nicht von Künstlern der lokalen Volkhochschule sondern solche die man woanders als Poster kaufen kann.
Unser Patient wartete bereits im Obergeschoss auf einer Art Liegewiese (unter einem „Bett“ stelle ich mir etwas schnöderes vor) und war offensichtlich nicht gut dran. Kaltschweißig, blass und kurzatmig präsentierte er sich als offensichtlicher Stammkunde umliegender Fachkliniken. Der Pat. nahm uns viel Arbeit ab indem er gleich mal den Fahrplan festlegte.
„Ich habe einen Herzinfarkt und ich muss nach Bad Oeyenhausen“. Dazu muss man sagen, dass Bad Oeyenhausen sicher eine exzellente Wahl für diesen Patienten gewesen wäre, sich aber leider in einer Entfernung im dreistelligen Kilometerbereich befindet. Für uns und mit diesem Patienten unerreichbar.
Mein Versuch den Pat. davon zu überzeugen mit uns in eine sehr gute Klinik der Maximalversorgung direkt in der Nähe mitzukommen schlug fehl. Der gut gemeinte Tipp, dass man nach Bad Oeyenhausen ja einen Hubschraubertransport benötigen würde wurde von ihm gar nicht als Problem wahrgenommen. Er zählte flux die Mannschaft durch und gab seiner Frau bekannt, Anja (Concierge?Privatsekretärin?) solle umgehend einen Hubschrauber – nein, halt, wir sind ja zuviele für einen Hubschrauber – besser zwei Hubschrauber bestellen. Gut, es war nachts, es gab natürlich keinen Hubschrauber (für diesen Patienten…) und wir entschieden uns für den naheliegenden Maximalversorger.
Der Rettungsassistent wollte dafür kurz mit der Leitstelle sprechen. Da unsere Handys im ländlichen Bereich nicht funktionierten bat er darum kurz das Telefon benutzen zu dürfen. Er verschwand daraufhin für ein paar Minuten im Büro – und kam deutlich blasser zurück.
Wir brachten den Pat. ins Krankenhaus, es erfolgte die infarkttypische, weitere Therapie.
Es war sein dokumentierter und amtlich beglaubigter vierter Herzinfarkt bei Z.n. 3-Gefäß-KHK (mehr geht nicht) mit Z.n. Bypass-OP und Revision einer Bypass-OP… kurz gesagt, der Mann war todkrank. Letztlich muss man sagen, dass dem Mann mit diesem Herz nicht mehr viel Zeit blieb.

Auf dem Rückweg erfuhr ich dann auch warum mein Fahrer so blass aus dem Büro zurückkam.
„Du glaubst mir das nicht.“
Hau raus…
„Narkosearzt, auf dem Schreibtisch lag ein Zettel.“
Sachen gibts.
„Da stand was drauf“.
Ist der Sinn eines Zettels. Jetzt musst Du liefern…
„Rücksprache Bank erbeten, Finanztransfer empfohlen. Girokonto > 1,5 Mio.€“.
Das sind Probleme!