Echte erste Hilfe nach Verkehrsunfällen

Die Situationen sind genau so selten wie stressig.
Szenario 1: 
Mein Vater war im Urlaub unterwegs in den Alpen. Auf der Autobahn platzt ein Reifen, das Auto rammt den Mittelstreifen, gräbt sich im Grünstreifen ein, überschlägt sich zwei mal, eine Person wird herausgeschleudert, der PKW bleibt quer auf der Fahrbahn stehen.
Szenario 2: 
Wir waren auf dem Weg zur Taufe meiner Nichte. Ein Motorradfahrer verschätzt sich, wird in einer engen Kurve einer abgelegenen Landstraße nach außen getragen und kollidiert mit einem Camper. Er liegt stöhnend am Fahrbahnrand, hält sich den Bauch und das Becken.  
Szenario 3: 
Meine Nachbarin war auf dem Heimweg vom Badenachmittag an einem Naturfreibad.
Ein Motorradfahrer will zwei PKW überholen, beschleunigt stark. Der vordere PKW schert aus um unvermittelt nach links in einen Feldweg abzubiegen. Das Motorrad kann nicht mehr ausweichen und schlägt am Heck des PKWs ein. Das Motorrad zerreißt in zwei Teile, der Motorradfahrer bleibt regungslos liegen. 

Diese drei Szenarien sind genau so passiert.
In allen Situationen gab es einen oder mehrere Schwerverletzte. Alle trafen mich oder meinen Vater oder meine Nachbarin völlig unvorbereitet.
Was kann man jetzt praktisch tun?
Ich denke man sollte schon nach Qualifikation der Ersthelferausbildung und vielleicht auch nach der Verfügbarkeit von Erste-Hilfe-Möglichkeiten unterscheiden. Aber man muss nicht Arzt/Ärztin sein, um qualifiziert helfen zu können. 
Was kann jeder tun: 
Als erstes – die Unfallstelle absichern! 
Zieht Euch eine dieser neongelben Sicherheitswesten an, die jeder in Anzahl der mitreisenden Personen mitführen muss. Und dann das wichtigste: Ruhe bewahren. 
Hierfür hilft es sich immer mal wieder während einer Autofahrt zu visualisieren – was würde ich jetzt tun, wenn jetzt der PKW vor mir bei dem riskanten Überholmanöver verunfallt? Und dann eine möglichst logische, vollständige Liste abarbeiten. Wem das hilft, der kann sich auch eine Checkliste dafür ins Auto legen. 
Bin ich alleine im PKW unterwegs stelle ich das Auto quer VOR die Unfallstelle. Mein eigenes Auto ist dann wie ein Rammbock. Habe ich noch Familie dabei, versuche ich hinter die Unfallstelle zu fahren und sichere nach vorne ab. 
Wanrblinkanlage an, bei Dämmerung oder Dunkelheit nutze ich zusätzlich LED-Powerflares. Die kosten ca. 10€ das Stück, findet man unter „Powerflare Akku LED Signallicht“ oder ähnlich (ich darf die nicht verlinken, sonst wäre es  Werbung). Ich habe davon drei im Auto, so sollten mindestens zwei immer funktionieren. 
Die Akkus halten ewig, muss ich nur alle paar Monate mal aufladen. 

Ist die Einsatzstelle gesichert hilft es sich einen groben Überblick zu machen: wie viele Verletzte gibt es und wie schwer sind sie verletzt. Wie findet man das raus? Da gibt es einen Trick: 
Menschen die eingeklemmt sind und nicht selber aus dem verbeulten Fahrzeug kommen gelten als akut lebensbedroht („rot“), ebenso alle die irgendwo liegen. Wer sitzen aber nicht stehen oder laufen kann, aber trotzdem beeinträchtigt wirkt kann als potenziell schwerverletzt („gelb“) eingeteilt werden. Wer laufen kann gilt als leicht verletzt oder gar nur Betroffener („grün“).
Jetzt folgt der Anruf bei der 112: Hilfe holen!
Der Disponent/die Disponentin wird Euch durch die Fragen führen. Wo ist der Unfallort passiert – das ist auf der Autobahn nicht ganz so einfach, aber dazu wird man Euch Hiflestellungen geben.
Dann solltet ihr kurz beschreiben was ihr seht, wie viele Fahrzeuge verunfallt sind und ob es Besonderheiten gibt wie z.B. das ein Fahrzeug auf dem Dach liegt. Dann wäre eine ungefähre Schätzung der Verletzten gut, z.B. „da ist noch einer drin, der kommt nicht raus, zwei sind rausgekrabbelt, die liegen am Straßenrand, und einer sitzt da, der kann nicht aufstehen“. Gute LeitstellendisponentInnen können das interpretieren und Euch jetzt schon die adäquate Hilfe auf den Weg schicken. Noch während ihr mit der Leitstelle telefoniert geht dann z.B. bei mir der Melder und wir machen uns auf den Weg.
Was kann man nun für die Schwerverletzten tun?
Jede Menge!
Vor allem – traut Euch. Ihr könnt – wie so oft – kaum was falsch machen, außer wenn ihr nichts macht. Achtet immer, immer, immer auf die eigene Sicherheit!
Es nützt niemandem etwas, wenn ihr Euch in Gefahr begebt oder weitere Fahrzeuge in die Unfallstelle rasen. Sobald ihr sicher seid könnt ihr zu einer schwerverletzten Person gehen und diese informieren, dass Hilfe unterwegs ist. Sowas banales, oder? 
Aber genau das hilft!
Wer mal im Auto eingeklemmt war weiß, zu wissen, dass Hilfe unterwegs ist, ist die halbe Miete. Rettung ist auf dem Weg!
Bleibt bei dieser Person, bleibt ansprechbar. Versucht der Person die Lagerung zu erleichtern. Vielleicht kann man eine Jacke unter den Kopf legen falls das Auto auf der Seite liegt.
Habt ihr einen schwer verletzen und vielleicht sogar bewusstlosen Motorradfahrer, dann solltet ihr auch auf jeden Fall den Helm abnehmen (https://narkosearzt.wordpress.com/2019/02/24/stabile-seitenlage-und-helm-ab-oder-etwa-doch-nicht/).
Gerade bei Regen oder kalter Witterung, im Grunde genommen aber immer außer wenn es 35° hat, solltet ihr die Person warm halten. Sucht Euch Jacken zusammen, fragt umstehende Personen und bittet sie nach Decken/Fliesjacken. Eigene Jacken sind deswegen super weil sie durch die eigenen Körperwärme vorgewärmt sind und außerdem ist es ein schöner Akt von Nächstenliebe.
Ich habe auch schon mangels Alternativen Unfallopfern meine warme Notarztjacke angezogen. Kommt danach in die Wäsche und gut ist.  
Ihr seht schon jetzt, man kann viel machen! Und für nichts davon muss man Notarzt oder Notärztin sein.
Wiederholung:
1) Unfallstelle absichern, ggf. eigenen PKW dafür nutzen
2) Sicherheitsweste anziehen
3) Überblick machen und 112 (Rettungsdienst/Feuerwehr) anrufen 
4) bei Schwerverletzten bleiben, Hilfe anbieten, Wärme erhalten

Das war die Pflicht, jetzt kommt die Kür.
Was mache ich wenn jemand wirklich viel blutet. Und wann blutet jemand viel?
Blutende Wunden haben die Eigenschaft sehr spektakulär auszusehen, auch wenn eigentlich noch gar nicht viel Blut geflossen ist. Viel Blut ist es immer dann, wenn es sich in Pfützen sammelt oder z.B. die Straße runter läuft. Dann sind es in der Regel deutlich mehr als 500ml Blut und das wird für diese Patienten potenziell kritisch. Das tückische ist – selbst wenn der Rettungsdienst rechtzeitig kommt, kann dieser Blutverlust in den ersten 10 oder 20 Minuten ausreichen, dass die Patienten hinterher (nach 24 Stunden) versterben. Es ist also immens wichtig diese Patienten von Anfang an warm zu halten und die Blutung zu stoppen.
Das geht ganz einfach – indem man dort wo das Blut rauskommt, Druck ausübt. Das kann man mit einem zusammengeknüllten Tuch (Dreiecktuch aus dem Erste-Hilfe-Kasten!) oder hervorragend auch mit einem T-Shirt machen. Dieses möglichst eng und fest in die Wunde drücken und von außen auf die Wunde drücken. Gegendruck verhindert, dass weiteres Blut verloren geht. 
Hier ist es etwas genauer beschrieben (https://www.drk.de/hilfe-in-deutschland/erste-hilfe/blutungen-und-blutstillstand/blutungen/) aber – macht da keine Raketenwissenschaft draus! 
Druck auf die Blutung, egal wie!
Mit dieser einfachen Maßnahme kann man ohne Witz ganz konkret Leben retten. Wenn wir nach 10 Minuten mit dem Rettungshubschrauber angeblasen kommen, dann sieht das zwar sehr spektakulär aus, aber wenn der Patient bis dahin schon 2 oder 3 Liter Blut verloren hat, dann werden wir für diesen Patienten gar nichts mehr ausrichten können.  

Also 
1) Unfallstelle absichern, ggf. eigenen PKW dafür nutzen
2) Sicherheitsweste anziehen
3) Überblick machen und 112 (Rettungsdienst/Feuerwehr) anrufen 
4) bei Schwerverletzten bleiben, Hilfe anbieten, Wärme erhalten
5) schwere, kritische Blutungen stillen 

Und zuletzt – wenn die ersten professionellen Retter kommen und die Einsatzleitung übernehmen, dann scheut Euch nicht selber um Hilfe zu bitten. 
Es gibt exzellente PSU-Teams, die das oft noch an Ort und Stelle mit Euch besprechen. Die Euch ein professionelles Feedback geben können, was die Einsatzkräfte jetzt tun. 
Das hilft ganz entscheidend bei der Verarbeitung. 
Auf keinen Fall solltet ihr die Fahrt einfach so fortsetzen. Das Risiko ist zu hoch selbst einen Unfall zu bauen, weil ihr mit den Gedanken ganz woanders seid. 

Ich hoffe das hilft Euch wenn ihr das nächste Mal zu einem schweren Verkehrsunfall kommt. 
Jede Hilfe ist besser als keine. 
Danke für Euren Einsatz und schreibt mir gerne mal was ihr so erlebt habt und wie ihr helfen konntet! 

Vom Unfall bis zur Reha – so geht das.

Ihr fahrt auf der Autobahn, vor Euch leicht zäh fließender Verkehr. Der Verkehr wird dichter, die ersten machen ihr Warnblinklicht an.
Ihr versucht Euch wie ihr das vom Narkosedoc gelernt habt bei dem sich bildendem Stau sofort auf die linken beziehungsweise mittlere Spur zu wechseln weil ihr wisst, dass die mit Abstand schlimmsten Unfälle fast immer auf der LKW-Spur ganz rechts passieren.

So auch hier, plötzlich gibt es direkt hinter Euch einen heftigen Knall, eine Wolke aus Staub und Dreck legt sich über die Fahrbahn, Autoteile fliegen durch die Luft, danach Stille.
Es sind
die ersten Zehntelsekunden des Unfalls
die darüber entscheiden ob die entstehende Verletzung mit dem Leben vereinbar ist oder nicht. Der Abriss einer Hauptschlagader, eine geplatzte Herzhöhle – und das Leben ist hier vorbei, eine Rettung unmöglich.
Instinktiv bist Du an die Seite gefahren und stehst jetzt hinter dem Unfall.

Die ersten Sekunden nach dem Unfall.
Du wählst die 112 und Dein Handy wird automatisch an die für diesen Ort zuständige Leitstelle verbunden (genial, oder?). Der Leitstellendisponent wird Dich alles wichtige fragen.
Was ist passiert? Von wo rufen sie an? Wieviele Verletzte gibt es?
Außerdem wird es für den speziellen Notfall spezielle Fragen geben (ist die Fahrbahn noch frei oder stehen die Autos quer? Konnten sich die beteiligten Personen selber aus dem Fahrzeug befreien?).
Nun wird entsprechend dem Meldebild ein Hilfskonvoi alarmiert. Der besteht in so einem Fall meistens aus Polizei (die regeln alles rund um Aufnahme des Unfalls, Absperrung bis zur Reinigung und Freigabe der Autobahn), Feuerwehr (sichert die Unfallstelle gegen entstehendes Feuer ab, kann eingeklemmte Personen befreien und noch viel mehr!), Rettungsdienst meist mit RTW und Notarzt, bei entsprechendem Szenario wird meist auch parallel ein Rettungshubschrauber mit alarmiert.
Der Patient selber hat zwar schwere Verletzungen die vielleicht nicht stundenlang aber doch so lange zu überleben sind, bis professionelle Hilfe eintrifft. Der Körper schüttet körpereigene Schmerzmittel und kreislaufstabilisierende Moleküle aus um diesen Zustand zu überleben.

Die kritischen 60 Minuten – „the golden hour of shock“ 
Die Autobahn wird im Anschluss dann durch die meist zuerst eintreffende Polizei abgesperrt so dass der Hubschrauber dahinter landen kann. In Zusammenarbeit wird die Unfallstelle abgesichert und versucht die Patienten schnellstmöglich und dem Verletzungsmuster enstprechend schonend zu retten. So schnell wie möglich, so sorgfältig wie nötig. Ein Patient mit drohender Querschnittsverletzung ohne sonstige Probleme muss so schonend wie möglich gerettet werden. Ein stark blutender Patient wird zur Not egal wie und so schnell wie irgend möglich aus dem Fahrzeug gerettet (Crash-Rettung).
Das alles findet immer in sehr enger Absprache zwischen dem Notarzt, dem Rettungsdienst, dem Einsatzleiter der Feuerwehr und auch der Polizei statt. Sobald ungefähr klar ist was für Probleme der Patient hat wird zum Beispiel der Rettungsassistent des Rettungshubschraubers versuchen ein Bett für den Patienten zu organisieren.
Jetzt klingelt in einer großen Klinik die auf die Versorgung von Schwerverletzten spezialisiert ist (meist eine Uniklinik oder eine sgn. BG-Klinik) das rote Telefon. Die Klinik bekommt eine ungefähre Info darüber was sie wann erwartet.
Nachdem der Patient gerettet ist wird meist eine Erstversorgung entweder noch auf der Straße oder im bereitstehenden RTW gemacht. Nach Stabilisierung, Ergänzung intensivmedizinischer Maßnahmen (Narkoseeinleitung, Thoraxdrainagen o.ä.) erfolgt meist der Transport in den Rettungshubschrauber.
Der Rettungsassistent sichert den startenden Hubschrauber ab, der Notarzt kümmert sich weiter um den Patienten. Meist wird jetzt nochmal das aufnehmende Krankenhaus direkt informiert.
„Der Christoph 1 hier, wir landen um 17:20 Uhr mit einem Polytrauma bei Euch, SHT, instabiles Thorax- und Beckentrauma, intubiert, beatmet“.
In der Klinik wird nun das Schockraumteam alarmiert. Bei uns läuft das so, dass man an einem kleinen Rädchen die Uhrzeit einstellt und daneben einen roten Buzzer drückt. Dann bekommen alle für den Schockraum zuständigen Kräfte auf ihr Telefon einen Alarm der z.B. „Schockraum 17:20 Uhr“ anzeigt. Man kann auch einfach so den Buzzer drücken dann wird es ein „Schockraum SOFORT!“ das gibt den besonderen Extra-Kick 😉
Die Zeit vom Ereignis des Unfalls bis zur Übergabe in der Klinik sollte nicht länger als eine Stunde dauern. Alles was darüber hinaus geht ist mit einer deutlich erhöhten Tödlichkeit verbunden.

Das Team wird also mit dem Patienten landen, warten bis die Turbinen etwas abgekühlt und schließlich ausgeschaltet sind (das dauert nun mal zwei Minuten) und im Anschluss den Patienten ausladen und in den Schockraum bringen. Hier steht ein Team bereit, dies besteht meist aus:
Schockraum Teamleader (meist ein Arzt der Anästhesie oder Chirurgie)
Facharzt / Fachärztin Anästhesie (kümmert sich primär um Sicherung des Atemwegs, Stabilisierung des Kreislaufs etc.)
Anästhesie-Pflegekraft (nimmt Blut ab, bereitet Medikamente vor und appliziert sie, macht Narkose, assistiert dem Anästhesisten, behält den Überblick und macht 1000 Dinge mehr…)
Facharzt / Fachärztin Chirurgie (macht die erste Ultraschallaufnahme des Bauches und der Lungen und schaut ob irgendwo Flüssigkeiten sind die da nicht hingehören, legt b.B. Thoraxdrainagen)
Chirurgie-Pflegekraft (entkleidet den Patienten komplett – falls nicht schon geschehen – und assistiert dem Chirurgen z.B. bei der Anlage der Thoraxdrainagen)
Notaufnahme-Pflegekraft (kümmert sich um die Anlage eines Blasenkatheters, nimmt Blut ab, bringt dies zur Blutbank/Labor)

im Standby stehen
Facharzt / Fachärztin Neurochirurgie (macht vor der Bildgebung eine erste Basisuntersuchung, insbesondere wenn der Patient noch wach ist)

Facharzt HNO / Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie / Urologie und andere – je nach angemeldetem Verletzungsmuster

Dieses Team kümmert sich nur und ausschließlich um einen einzigen Patienten. Es ist die maximale Versorgungsstufe die wir leisten können, es gibt keine weitere Eskalation. Alle Technik und alle medizinischen Maßnahmen die überhaupt nur verfügbar sind werden eingesetzt um dieses eine Menschenleben zu retten. Das sieht chaotisch aus, läuft aber wie ein Uhrwerk nach einem Muster welches wir immer und immer wieder trainieren.
Deshalb ist es auch nicht förderlich wenn im Schockraum Praktikanten und Famulanten herumstehen die sich das mal ansehen wollen. Da sie es aber ja doch irgendwie lernen müssen bekommen Bystander bei uns hellblaue Umhänge angezogen (weil die Wände auch hellblau sind und sie so am ehesten nicht wahrgenommen werden) und müssen in einem auf dem Boden markierten Bereich stehenbleiben. Aus diesem dürfen sie nicht heraustreten, bis der Patient den Schockraum wieder verlassen hat.
Der Boden sieht sowieso wie in einer Turnhalle aus. Alles ist farbig eingezeichnet und hat einen festen Standplatz. Der Parkplatz für die Trage des Rettungsdienstes, der Parkplatz für unsere Traumaliege (die man direkt ins CT schieben kann), sogar unsere Beatmungskiste hat einen eigenen Parkplatz (und weil der Parkplatz für die Anästhesie blau ist hat irgendwann mal jemand eine Parkuhr drangehängt).
Abhängig vom Krankheitsbild gibt es ein abgestuftes weiteres vorgehen.

Extrem selten (wenige Male im Jahr) – der Patient wird noch im Schockraum notfallmäßig operiert (am Bauch, an der Luftröhre etc.) weil ein Transfer in den OP zu viel Zeit kosten würde

Selten
(wenige Male im Monat) – der Patient wird direkt in den OP gebracht, es wird keine weitere Bildgebung gemacht, der Patient wird sofort notoperiert aber mit den sterilen Bedingungen und der technischen Ausrüstung eines echten OP-Saales

Regelhaft wird der Patient nach einer kurzen Diagnostik- und Stabilisierungsphase unverzüglich in die Röhre geschoben – das heißt Computertomografie von der Locke bis zur Socke. Dabei entstehen weit über 1500 Bilder die sich der Radiologe (der nächste Facharzt im Bunde…) nun zügig anschauen muss. Das geht nach der radiologischen Devise – find first what kills first. Erstmal nach dem schauen, was den Patienten umbringt, den inkompletten Leistenbruch kann man dann hinterher noch dazu diktieren, das ist in der Regel nicht das akute Problem.
Auf Grundlage des Zustands des Patienten und der Ergebnisse der Diagnostik wird dann entschieden ob der Patient direkt in den OP geht oder erstmal auf die Intensivstation.

Die nächsten 24 Stunden  
Von der Akutphase auf der Autobahn wo Sekundenbruchteile über Leben und Tod entscheiden dehnen sich die relevanten Zeitabstände immer weiter.
Die ersten 24 Stunden werden zeigen wie der Körper es schafft mit den teils massiven Verletzungen umzugehen. Es stehen dramatische Veränderungen an, die den Kreislauf, die Blutgerinnung und Entzündungsmechanismen betreffen die auch ganz ohne Bakterien erhebliche Probleme verursachen können. Mit moderner Intensivmedizin kann der mit Abstand größte Teil der Patienten die es bis hier geschafft haben auch langfristig gerettet werden.
Die Beatmungstherapie, die Stabilisierung der Blutgerinnung, ein geregeltes Temperaturmanagement, die Vermeidung von weiteren Komplikationen wie Lungenentzündungen und Thrombosen und viele weitere Dinge müssen in einem komplexen Zusammenspiel von Ärzten, Pflegekräften, Spezialisten und den Angehörigen gemeistert werden.

Die nächsten Wochen
Der Patient wird manchmal schon nach wenigen Stunden, manchmal erst nach mehreren Tagen von der Beatmungsmaschine entwöhnt und kann aus dem künstlichen Koma erwachen. Je nach der erlittenen Schädigung kann dies auch mehrere Tage dauern.
Jetzt steht die Physiotherapie, ggf. auch Logopädie, Ergotherapie und andere ergänzende Therapieangebote im Vordergrund. Außerdem muss weiterhin kontinuierlich darauf geachtet werden, dass zum Beispiel die Magenschleimhaut keinen Schaden durch die Schmerzmittel nimmt und dass die Bettlägerigkeit nicht zur Ausbildung von Thrombosen führt.
Hauptziel ist es jetzt für den Patienten eine Anschlussheilbehandlung (früher auch Reha genannt) zu finden um schnellstmöglich eine Wiedererlangung der Selbständigkeit des Patienten zu gewährleisten.

Und für alle die sich das durchgelesen haben gibt es an dieser Stelle noch ein sehr empfehlenswertes Video.
Das Team vom SWR wollte eine Reportage über den Rettungshubschrauber drehen und war somit zufällig mit dabei als Marcelo in der Schule aus dem Fenster fiel. Das Team entschied sich dafür nicht nur den Unfall und die Erstversorgung (die schön zeigt was da so alles schief gehen kann) zu zeigen sondern auch die nächsten Tage, Wochen und Monate Maurice zu begleiten.
Sehenswert, in jeder Hinsicht.

Helm tragen.

Helm tragen.
Aktuell entbrennt eine heiße Diskussion über das für und wieder des Helm-tragens beim Fahrradfahren. Ich würde dies übrigens auch ums Inline-Skaten, Roller fahren etc. erweitern.
Der Kinderdoc hat dazu seine sehr kompakte, von mir voll unterstützte Meinung niedergeschrieben. Hier meine Ergänzung:

Heute im Schockraum.
Mädchen, 9 Jahre als Fahrradfahrerin vom Auto in der Fußgängerzone erfasst, max. 30 km/h gegen PKW. Vor Ort bereits Pupillendifferenz, Intubation, schnelle Rettung. Innerklinisch nach CCT Diagnose eines massiven Schädel-Hirn-Traumas mit Subarachnoidalblutung, nebenbefundlich dislozierte Oberschenkelfraktur und einige Bagatellverletzungen.
„Hirn-OP“ mit Ausräumung des Blutergusses, später Oberschenkelosteosynthese, insgesamt ungewisser Ausgang.
Wir konnten nicht glauben, dass der PKW nur 30km/h gefahren sein soll, aber der Unfallhergang war komplett plausibel und leider war die kleine Lady ohne Helm unterwegs.

Ich trage einen Helm. Weil es vielleicht die Frisur ruiniert, mich aber sicher davor bewahrt durch blöde Umstände sabbernd in einem Pflegebett vor mich hin zu vegetieren. Und meine Familie freut sich weil ich nicht mehr nur rechts an die Decke gucke sondern jetzt schon den Kopf selber wenden kann.

Es geht übrigens nicht um die eigene Geschwindigkeit!
Wir hatten vor zwei Jahren mal einen der ist an der Ampel umgefallen, weil er aus den Klickpedalen seines Fahrrads (Rennrad!) nicht rausgekommen ist und eben aus ca. 2m Höhe mit dem Kopf auf dem Asphalt aufgeschlagen ist. Am nächsten Tag hat er gelallt, hatte rasende Kopfschmerzen und den Rest könnt ihr Euch denken.
Oder die Familienmama die auf ihren Inlinern stehend (!) nach hinten umgekippt und auf ihren Kopf geknallt ist. Isoliertes Schädel-Hirn-Trauma mit Massenblutung, Uniklinik mit Not-OP, Schädelknochen auf, drei Tage des bangen Wartens und letztlich doch als Organspenderin geendet. Aus dem Stand!

Helm tragen. Immer.
Außer auf dem Spielplatz.