Delir, Demenz und Diskussionen auf der Intensiv

Katharina die Große wurde morgens in der Übergabe spontan auserkoren eine Intensivverlegung eines Beatmungspatienten zur Weaningklinik zu fahren. Vorgesehen war ein bodengebundener Intensivtransport, kalkulierte Fahrtzeit ca. 2-3 Stunden. Inklusive Rückfahrt wäre sie also den ganzen Tag unterwegs gewesen.
Da sie sich auf einen gemütlichen Tag im OP eingerichtet hatte und keine Stulle und nix dabei hatte, musste sie sich für das Mittagessen vor Ort etwas Geld bei einer Kollegin leihen. Gesagt, getan.
Am nächsten Tag (!) wollte ich mit einer 86jährigen und beginnend tüddeligen Patientin bei der morgendlichen Untersuchung ein bißchen Smalltalk halten. Zu meiner Frage nach ihrem Befinden kam ich gar nicht…
TO (tüddelige Oma): „Ich will hier weg!“
Ich: „Wo wollen Sie denn hin?“
TO: „Weg. Hauptsache nicht länger hier bleiben. Hier dreht sich alles nur ums Geld. Geld, Geld, Geld. Herr Doktor, hier gibt es Leute!! (holt Luft) Hier gibt es Leute, die haben noch nicht mal Geld um Mittags was zu essen!! Die müssen sich bei anderen was leihen! Schlimm is das.“

Wir konnten das Missverständnis klären. Ansatzweise.
Hier wurde mir mal wieder klar was für einen breiten Interpretationsraum unsere Gespräche lassen. Patienten und Angehörige nehmen manches von dem was wir so dahinsagen sehr ernst! Und das kann sehr ernste Konsequenzen haben, auch und gerade auf den Gesundungsprozess.
Ich kann mich noch an einen Kollegen Dr. Dingsbums erinnern, der mal einen längeren Briefwechsel mit dem Öffentlichkeitsbeauftragten eines großen, deutschen Automobilclubs hatte. Bei einem Einsatz mit dem gelben Hubschrauber gab es einen schwerverletzten Patienten – nennen wir ihn A – und einen Leichtverletzten – B. Offensichtlich war sich ein Feuerwehrmann nicht ganz über B’s Zustand und die Platzverhältnisse im Hubschrauber im klaren. Seine Frage an den Kollegen war nämlich warum sie denn A mitnehmen würden und nicht B. In einer für den Rettungsdienst typischen Form des Bewältigungshumors und für Außenstehende manchmal schwer zu verstehenden Art und Weise antwortete Dr. Dingsbums „Der is ja kein GroßerDeutscherAutomobilClub-Mitglied“.
Das wiederum hörte einer der Gaffer umstehenden Unbeteiligten und sah sich direkt genötigt hier mal eine Anzeige zu schreiben. Ups.
Also: pass auf kleiner Mund, was Du sprichst…

Perlen der Prämed – die Erste.

Die „Prämed“ (für Prämedikationsvisite oder auch Prämedikationsambulanz) gehört zu den Geißeln am Fuß des Traumjobs Anästhesist. Sinn der Prämed ist es, die Narkosewilligen auf etwaige Narkoserisiken abzuklopfen und relevante (!) Informationen wie Allergien, Herz-/Kreislauferkrankung etc. zu erfahren.
Dies führt regelhaft zu Überforderung. Beim Anästhesisten UND beim Patienten.
So wie hier:
praemed1
(is klar…. Abumzu.)

Notarzt? Sind sie richtiger Arzt? 10%-Wissen in der Notfallmedizin Teil 1.

Hat sich eigentlich mal jemand die Mühe gemacht, all die Mysterien, Halb- und Komplettunwahrheiten des Rettungsdienstes aufzuschreiben? Hier eine unvollständige Liste. Ein Anfang.

Ein Notarzt ist ein Arzt ist ein Notarzt.
„Kommt denn gleich auch noch ein richtiger Arzt?“
„Muss man dafür Medizin studieren?“
„Sind Sie denn schon fertig mit der Arztschule?“ (mein Lieblingssatz! Sollte es mir zu wundern geben, dass ich das öfter höre? Egal, ich schweife ab…)
Das sind nur einige der Sätze die ich quer durch die Bank – teilweise schon mehrmals – von Menschen gefragt worden bin. Ich meine, woher kommt das? Ein Notarzt sollte sechs Jahre Studium, ein praktisches Jahr, 18 Monate klinische Tätigkeit und und und… vorweisen können, bevor er auf die Menschheit losdarf.
Wie kommt man auf die Idee, dass man sich „ARZT“ auf den Rücken schreiben darf ohne ein Arzt zu sein? Als Heilpraktiker benötigt man als zwingende Voraussetzung nur einen Grundschulabschluss, das medizinische Ansehen erscheint mir manchmal trotzdem weit höher. Ich sollte mir „Notfallheilpraktiker“ draufschreiben lassen. Gleich mal beim Reflexfoliendrucker meiner Wahl nachfragen…

Geht das nur mir so? Oder erleben das andere Notärzte auch? Und was muss man sich denn z.B. so als Rettungsassistentschrägstrichhelferschrägstrichsanitäter anhören lassen?

Prüfen, rufen, drücken.

Der Paul hat auf http://alltagimrettungsdienst.wordpress.com/2013/03/25/aufruf/ dazu aufgerufen, der „Prüfen, rufen, drücken“-Kampagne entsprechend unsere eigene Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte in der wir geprüft, gerufen oder auch gedrückt haben. Oder alle drei auf einmal.

Meine Geschichte war vor ca. 5 Jahren, ich kam mit dem Zug aus Pusemuckel im Bahnhof an und schlenderte nach Hause. Auf dem Gehsteig sah ich in ca. 200m eine kurz taumelnde Person, die daraufhin auf den Boden glitt. Zwei Frauen mittleren Alters eilten hin und irgendwie ging es dann sehr schnell. Als ich da war, hatten die beiden Frauen wohl schon den Notruf abgesetzt und mit der Reanimation begonnen. Ich stellte mich kurz vor und wir wechselten uns mit der Druckmassage ab. Ich habe die Patientin in Ermangelung eines Notfalltuchs (sowas hier) im 30:2-Rhythmus über die Nase beatmet. Seitdem habe ich so eine Notfallmaske, aber egal.
Das lalülalü wurde lauter. Hurra! Hurra! Der RTW ist da.
Richtig klasse fand ich, dass die beiden Damen weiter gedrückt haben, obwohl der RTW ankam. Viele würden in so einer Situation aufstehen und vielleicht zur Seite gehen, da ja jetzt die Profis da sind. Die beiden haben sich nicht stören lassen, wir haben einen Rhythmus abgeleitet (Kammerflimmern), einmal defibrilliert und weiter gedrückt. Gemeinsam mit den Jungs vom RTW wurde die Pat. gemäß Algorithmus (damals noch die 2006er Leitlinie des ERC) behandelt, intubiert, Zugang gelegt und als der Notarzt eintraf, war dieser dann doch etwas konsterniert ob der nahezu kompletten Erstversorgung. Ich habe eine kurze Übergabe gemacht und dem Notarzt die Patientin übergeben. Der Notarzt wirkte anfänglich etwas gefordert in ein ihm unbekanntes Setting zu rutschen (was ich durchaus gut nachvollziehe kann) und machte leider einen etwas unfreundlichen und auch undankbaren Eindruck.
Ich bot noch meine Unterstützung beim Drücken an, die war aber nicht mehr gewünscht, was ich so auch OK finde. Ein RTW ist schon eng genug und nichts geht über ein gut eingespieltes Team.