Frank.

NA Intern Sonstwo Steegmann Apoplex SoSi Mehrfach:

Frank Steegmann wohnt eher ländlich in einem gemütlichen kleinen Häuschen, dass zwischen den großen umstehenden Bäumen fast verschwindet. Als Mensch ist Frank einer der anpacken kann und auch anpackt, vor allem und gerne in seinem Garten. Frank ist 48 Jahre, arbeitet als Garten- und Landschaftsbauer und steht -wie man bei uns sagt- voll im Saft. Wir treffen Frank im Garten auf einer schönen Steintreppe sitzend, stellen uns vor und erwarten nun weiter zu seiner Mutter oder seinem Vater geführt zu werden, immerhin haben wir uns auf einen Schlaganfall eingerichtet. Nein nein, er sei der Patient. Er habe uns gerufen. Er habe im Garten gearbeitet und hat nun ständig das Gefühl zur Seite zu fallen.
Tatsächlich kann er nur durch einen Feuerwehrmann gestütz stehen, will selber zum RTW laufen auch wenn er immer droht nach links zu kippen. Im Auto messen wir die Vitalparameter, alle normal, aber Frank hat eine ganz eindeutige Fallneigung. Bewegen kann er alles, er hat keine sonstigen Nervenausfälle, keine Parästhesien (Missempfindungen/Kribbeln) und irgendwie passt es alles nicht so ganz zum klassischen Apoplex. Als ich ihm einen Zugang legen möchte empfiehlt er mir diese oder auch gerne diese Vene, er bekomme ja einmal in der Woche Infusionen für seine Knochen. Ich stutze das erste Mal. Infusionen? Ja, er habe ja eine Chemotherapie gemacht und auch eine Bestrahlung, wegen des Knochenkrebs im Kopf. Er habe auch Metastasen, im Bein sei eine, im Rücken drei Stück und die im Kopf sei aber vor drei Monaten bestrahlt worden, die sei weg.
Wir schlucken, das übliche Gebrabbel im RTW verstummt. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Wir haben da einen vermeintlich kerngesunden, topfitten Mann von einer Schrankwand und bekommen eine Anamnese präsentiert die einen erschaudern lässt.
Meine Vermutung bestätigt sich im Krankenhaus, Frank hat mehrere neue Metastasen im Kopf, inoperabel, inkurabel, diese machen einen Hirndruckanstieg und damit die Symptome.
Frank hat mit Cortison und Bestrahlung vielleicht noch ein paar Tage oder Wochen zu leben, aber wie passt das zusammen? Für mich bleibt ein surrealer Eindruck.
Frank bleibt mir sehr plastisch als Eindruck im Gedächtnis.
So ein kräftiger, kranker Mann.
Alles Gute, Frank.

Evelin

Evelin (82 J., w.) war immer für alle da.
Für ihre Familie, die Kinder und Enkel, die in mittlerweile fünfter Generation ein sehr gut gehendes Restaurant führen und auf Evelins tatkräftige Unterstützung zählen. Morgens packt sie als erste bei den Backwaren an, weil die als Vorspeise gereichten Brote nach wie vor von Evelin gebacken werden. Wenn die Urenkel von der Schule kommen passt sie auf die kleinen auf, damit die Eltern sich dem Mittagsgeschäft widmen können. Nachmittags arbeitet sie im Café mit, Evelins Apfelkuchen – so viel Klischee muss sein – hat seine eigenen Fans. Ganz ohne Facebook.
Abends bringt sie die Urenkel ins Bett, die bestehen darauf, weil die Uroma so viel Zeit mitbringt. Da ist auch meistens noch die eine oder andere Zugabe mit drin, Evelin guckt da nicht auf die Uhr. Das hat sie schon bei ihren Kindern und Enkeln so gemacht, warum sollte es dann bei den Urenkeln anders sein.
Evelin wollte eigentlich studieren, Lehrerin wäre sie gerne geworden. Da hätte sie mit Kindern arbeiten können. Das ging aber nicht, das hatte der Vater verhindert. Das könne man ja immer noch machen, im Moment sei dafür kein Geld da. Und überhaupt, Frauen, Studium. Und dann war da ja auch Albert, eine sichere Bank und ein Fels in der Brandung. Eine richtig gute Partie und ihre erste große Liebe.
Evelin hat sich auch um ihren Albert gekümmert. Albert war immer ein Macher. Restaurant von den Eltern übernommen, Haus angebaut, Kinder in die Welt gesetzt, Restaurant ausgebaut, gewonnen, verloren, wieder aufgestanden, geleitet, geführt, motiviert. Zuletzt wurden die Lücken größer, die Gespräche fahriger, die Tagesabläufe wichen immer öfter von der Routine ab. Evelin gab ihrem Mann den Halt, den er ihr bisher immer gegeben hatte. Eine Weile blieb ihre Welt damit im Lot, aber es drohte alles immer mehr zu schwanken. Zuletzt musste Albert wegen einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Er hatte Hunger und wollte sich eine Scheibe Brot auf der Herdplatte erwärmen. Es war noch in der Plastikfolie.
In der Geriatrie (Fachabteilung für den alternden Menschen) wirkte Albert sehr sortiert und es wurde die weitere Versorgung nach der Entlassung geplant. Albert bekam eine Zusage für einen Platz in der Seniorenresidenz. Weil es ihm so gut ginge wolle man aber doch nochmal ausprobieren, ob er nicht doch nochmal nach Hause könne. Nur für ein oder zwei Tage. Den Platz im Heim könne man ja immer noch annehmen. Die Kinder redeten ihrer Mutter gut zu, kein Problem Evi, wir stehen Dir bei.
Evelin wusste um die Probleme, die sie erwarten würden. Am Abend vor Alberts Entlassung zogen sich die Wolken immer dichter zusammen. Was wie ein Gewitter anfing bedrohte sie, machte sie einsam, klein, isoliert von der Welt um sie herum. Nein, ihre Kinder haben ja genug eigene Sorgen, die kann sie nicht damit belasten. Und dann die ständigen Schmerzen. Ihre Hausärztin hatte ihr ja etwas verschrieben, aber sie wurde trotzdem nachts von Schmerzen wach. Jeder Schritt wurde zu einer Qual, die Schmerztropfen brachten immer nur eine kurze Linderung. Wie sollte sie sich da auch noch um Albert kümmern können? Und die Kosten der Seniorenresidenz, die Hilflosigkeit, die unendliche Traurigkeit wenn Albert sie nicht mehr erkannte und fragte wer sie denn eigentlich sei und ob sie hier auch wohne und dann lagen da die Tabletten. Die hatte die Hausärztin ihr auch mal aufgeschrieben. Damit sie besser in den Schlaf finden kann, wenn sie Gedanken daran hindern. Ja, nach Schlaf war ihr jetzt. Nach langem Schlaf.
Evelin drückte die Tabletten aus dem Blister heraus, nahm die 30 Tabletten ein und schlief neben dem Abschiedsbrief ein.

Evelin

Verzeiht mir.
Ich kann und will so nicht mehr leben jeder Schritt ist eine Qual nicht erst seit heute
habt Dank für Alles
ein Pflegefall ist für Euch genug

Evelin kam schlafend zu mir und schlief 30 Stunden durch. Als sie wach wurde waren ihre Kinder bei ihr. Aus München und Kiel, Andreas kam extra aus Oxford.
Evelin bekam von uns ein Konsil vom Schmerztherapeuten der ihr ein Rundum-Wohlfühlantischmerzpaket strikte, die Kinder erzählten ihr, dass Albert sich bereits prächtig in der Seniorenresidenz eingelebt habe und das die Urenkel abends überhaupt nicht eingeschlafen seien und darauf warten, dass Evelin endlich wieder nach Hause kommt. Evelin war immer für ihre Familie da, das Oberhaupt, die Schaltzentrale.
Zu akzeptieren, dass man auch mal die Hilfe anderer in Anspruch nehmen darf gehört auch zum älter werden. Ich hoffe, ich denke daran, wenn ich älter werde.
Nach dem üblichen Prozedere (mit Einweisung in die Akutpsychiatrie) und Ausschluss einer akuten Suizidalität durch den Psychiater wurde Evelin bei „guter sozialer Einbindung“ entlassen. Nach Hause.
Alles Gute!

Prüfen, rufen, drücken.

Der Paul hat auf http://alltagimrettungsdienst.wordpress.com/2013/03/25/aufruf/ dazu aufgerufen, der „Prüfen, rufen, drücken“-Kampagne entsprechend unsere eigene Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte in der wir geprüft, gerufen oder auch gedrückt haben. Oder alle drei auf einmal.

Meine Geschichte war vor ca. 5 Jahren, ich kam mit dem Zug aus Pusemuckel im Bahnhof an und schlenderte nach Hause. Auf dem Gehsteig sah ich in ca. 200m eine kurz taumelnde Person, die daraufhin auf den Boden glitt. Zwei Frauen mittleren Alters eilten hin und irgendwie ging es dann sehr schnell. Als ich da war, hatten die beiden Frauen wohl schon den Notruf abgesetzt und mit der Reanimation begonnen. Ich stellte mich kurz vor und wir wechselten uns mit der Druckmassage ab. Ich habe die Patientin in Ermangelung eines Notfalltuchs (sowas hier) im 30:2-Rhythmus über die Nase beatmet. Seitdem habe ich so eine Notfallmaske, aber egal.
Das lalülalü wurde lauter. Hurra! Hurra! Der RTW ist da.
Richtig klasse fand ich, dass die beiden Damen weiter gedrückt haben, obwohl der RTW ankam. Viele würden in so einer Situation aufstehen und vielleicht zur Seite gehen, da ja jetzt die Profis da sind. Die beiden haben sich nicht stören lassen, wir haben einen Rhythmus abgeleitet (Kammerflimmern), einmal defibrilliert und weiter gedrückt. Gemeinsam mit den Jungs vom RTW wurde die Pat. gemäß Algorithmus (damals noch die 2006er Leitlinie des ERC) behandelt, intubiert, Zugang gelegt und als der Notarzt eintraf, war dieser dann doch etwas konsterniert ob der nahezu kompletten Erstversorgung. Ich habe eine kurze Übergabe gemacht und dem Notarzt die Patientin übergeben. Der Notarzt wirkte anfänglich etwas gefordert in ein ihm unbekanntes Setting zu rutschen (was ich durchaus gut nachvollziehe kann) und machte leider einen etwas unfreundlichen und auch undankbaren Eindruck.
Ich bot noch meine Unterstützung beim Drücken an, die war aber nicht mehr gewünscht, was ich so auch OK finde. Ein RTW ist schon eng genug und nichts geht über ein gut eingespieltes Team.