10 Dinge die sie tun sollten, bevor sie operiert werden

OK, ich gebe zu, der Titel ist etwas reißerisch. Und eigentlich geht es auch nur um Kunden die elektiv, also geplant ins Krankenhaus aufgenommen werden.
Elektive OPs machen bei uns ca. 80% des OP-Programms aus. Leistenhernien, Gallenblasenentfernung, Fußumstellung, Hüft/Schulter/Knie-Prothesen und dergleichen mehr. Alles das sind planbare, nicht notfallmäßige Operationen.

  1. Duschen Sie sich. Gründlich. Mehrmals.
    Die sie behandelnden Ärzte arbeiten mit ihnen und ihrem Körper. Während Sie bei der OP schlafen müssen wir uns um ihren Körper kümmern. Glauben Sie es mir – nicht nur der Chirurg ist deutlich besser gelaunt wenn es nicht schon beim Abwaschen nach drei Wochen altem Schweiß stinkt!
    Wir erwarten von ihnen, dass Sie uns den gleichen Respekt entgegenbringen, den Sie auch von uns fordern.
    Davon ab werden Sie nach der Operation sicherlich die ersten ein oder zwei Tage nicht in die Dusche kommen – da lohnt es sich wenn man von bestehenden Hygienereserven zehren kann!
  2. Waschen Sie den Bauchnabel, die Füße, die Leiste und die Achselhöhle nochmal extra. 
    In der genannten Reihenfolge finden Sie die fürchterlichsten und abscheulichsten Hygieneprobleme. Was wir schon aus Bauchnäbeln herausfischen mussten entbehrt jeder Schilderung! Mehrere Blitzdings-Sitzungen waren nötig um diese Impressionen auszulöschen…
    Sie haben ein Interesse daran die Operation ohne eine Infektion zu überstehen. Die sicherste und beste Grundlage für einen problemlosen Heilungsverlauf.
    Sie wollen nicht die Patientin sein „die zwei Mal nach Hause geschickt wurde„…
  3. Nehmen Sie ein günstiges Uralt-Handy mit.
    Smartphones stellen nicht nur einen relevanten Gegenwert dar sondern bieten neben dem finanziellen auch oft einen erheblichen Verlust privater Daten. Eine Zeit lang wurden gerade auf unserer Privatstation bevorzugt Smartphones und auch Notebooks von Patienten gestohlen. Hier kann z.B. ein einfaches Schloss für eine Hand voll Euro helfen! Den Schlüssel dafür können Sie überall hin mitnehmen (oder z.B. mit Karabiner an der Hose befestigen).
    (http://www.ebay.de/bhp/laptop-schloss)
  4.  Lassen Sie Schmuck zuhause. 
    Eheringe, Klunker, Ohrringe und das ganze Geklimper – es kann nur geklaut werden. Es interessiert uns auch wirklich nicht, was Sie alles an Geschmeide besitzen. Ringe kann man übrigens mit Seife hervorragend abbekommen. Wenn alles nichts hilft, gibt es noch die „Fadenmethode“ – irgendwann bekommt man JEDEN Ring ab. (https://www.youtube.com/watch?v=9DkyioPrWNM)
  5. Notieren Sie sich ihre Fragen schriftlich. Vorher. 
    Gesprächszeit mit Ärzten ist kostbar, sie sollten Sie sinnvoll nutzen, wir tun es auch. Ein normaler Krankenhausarzt (Internist, Chirurg, Anästhesist) muss noch tausend andere Dinge mehr  am Tag tun weshalb die eigentliche Zeit pro Patient auf ein Minimum schrumpft. Ist so, würden wir auch gerne ändern, Hermann Gröhe eher nicht. Wenn Sie Fragen haben, notieren Sie diese auf einen Zettel und gehen Sie diese Fragen ganz konkret mit ihrem Arzt durch. Im Gespräch selber werden Sie sich sonst nicht an die Fragen erinnern und ärgern sich dann hinterher wenn Sie doch verpasst haben zu Fragen wann die Fäden denn entfernt werden müssen (in der Regel nach 10 Tagen…).
  6. Lassen Sie (wenn möglich) die Zähne im Zimmer. 
    OK, die Zähne die fest sind dürfen drin bleiben. Da erwarte ich jetzt auch keinen Aktionismus mit der Extraktionszange. Aber glauben Sie mir – mein Standardklientel hat keine Zähne mehr. Manchmal bin ich regelrecht irritiert wenn mich eine Raab-eske Kauleiste begrüßt. Es ist für mich wirklich und ehrlich völlig normal à la Inge Maisel begrüßt zu werden. Das nehme ich meist gar nicht mehr wahr. Ja, für Sie ist es tooootaaaal peinlich, sie werden sich die Hand vor den Mund halten und können sich kaum vorstellen, dass mir die fehlenden Zähne egal sind. Sie sind es. Sowas von.
  7. Verärgern Sie ihren Anästhesisten nicht durch die Präsentation ihrer neuen Vollprothese! 
    Immer wieder schaffen es Patienten irgendwelche Pflegekräfte zu überzeugen, dass Sie bei Prof. Hoppenstedt aber MIT! Zähnen in den OP durften. Ja, da musste man die Vollprothese nicht herausnehmen.
    Das Problem ist, dass die Zähne (sofern mit geringem Aufwand herausnehmbar, nicht irgendwelche Implantate) einer Vollprothese für die Narkose herausgenommen werden müssen. Es könnte sonst bei Einleitung der Narkose passieren, dass die Prothese oder Teile der Prothese hinten in den Hals fallen, den Atemweg verlegen und massive Probleme verursachen können. Alles schon passiert. Wenn ich aber die Zähne rausnehme bin ich als Anästhesist dafür verantwortlich. Und zwar ohne Versicherung. Keine Versicherung übernimmt den Schaden an einer Prothese wenn Sie durch unachtsame Handhabung des Anästhesisten verursacht wurde. Auch alles schon gehabt.
    Sie wollen einen gut gelaunten Anästhesisten – begrüßen Sie uns mit einem strahlenden, zahnlosen Lächeln!
  8. Machen Sie einen kurzen Zettel fertig mit den wichtigsten, medizinischen Informationen.
    Größe, Gewicht, Allergien, Vor-Operationen, eine Liste aktueller Diagnosen (Bluthochdruck, Diabetes…), aktuelle Medikamente sowie ggf. andere medizinische Besonderheiten (hatte schon mal diesen „Krankenhauskeim“) und das ganze noch in leserlich. Gerne auch mit Schreibmaschine! Glauben Sie es mir – Sie werden viele, viele Menschen glücklich machen. Mit einem Zettel, den Sie in fünf Minuten geschrieben haben. Ich sage jetzt schon mal – Danke!
  9. Packen Sie ein paar gut sitzende Ohrenstöpsel und eine Schlafmaske ein.
    Nicht nur auf der Intensivstation sondern auch auf der Normalstation pladdert die ganze Nacht eine Kakophonie aus Perfusoralarmen, Schmerzpumpengepiepse, automatisch öffnenden und RUMMS-zufallenden Türen vor sich hin. Sie brauchen den Schlaf – machen Sie es sich so bequem wie möglich. Ruhe und Dunkelheit sind schon mal eine gute Grundlage.
  10. Waschen Sie sich. Am Vorabend. Morgens vor der OP. Gründlich.
    Auch die Achseln, den Bauchnabel, die Füße und… ach ich sagte das bereits? OK, aber „10 Dinge“ klingt ja auch einfach besser als „9 Dinge…“

Nous sommes unis.

Ich bin großer Fan von gutem Fußball, man könnte auch sagen der „Fußballkultur“. 11Freunde, Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs – das ist meine Welt. Ich favorisiere keinen einzelnen Verein, mag bestimmte Vereine dafür ganz und gar nicht und schaue aus oben genannten Gründen gerne mal ein Fußballspiel wenn es sich anbietet.
So wie gestern.
Ich hatte Bereitschaftsdienst und wir waren um kurz nach 20 Uhr fertig mit dem Tages-OP-Programm. Kurz vor Anpfiff erreichte mich der Anruf des Unfallchirurgen – Kind 5J., kombinierter Unterarmbruch, nüchtern, jetzt machen. Gut, dann also kein Fußball, sondern in den OP.
Ich ging also zu Lina, prämedizierte die kleine Lady und ihre aufgeregten Eltern, gab ihr was gegen Schmerzen und etwas zum Entspannen, klebte ein „Zauberpflaster“ (betäubt den Bereich in dem man später den Zugang legen kann) und ging in den OP. Die Narkose gestaltete sich problemlos, die Scheidung der Fraktur war etwas komplizierter da die Weichteilschwellung schon recht ausgeprägt war, kurzum – es dauerte.
Während der Narkose achte ich darauf, dass meine kleinen Kunden wie auf Watte liegen und es keine Druckstellen gibt. Kinder bekommen rasend schnell fies aussehende Druckstellen, wenn man nicht aufpasst. Dafür fühle ich mehrfach nach der Blutdruckmanschette, lege den Arm immer mal wieder etwas anders hin (Mikrolagerung) und achte darauf, dass keine Schläuche und Kabel auf der Haut liegen. Dabei bin ich schon recht nah an den kleinen Menschen und schlafende Kinder sind etwas wunderbares. In einem schlafenden Kind kann man so viel Gutes sehen und ich war sehr glücklich, diesen Beruf machen zu dürfen. Ich bekomme das wertvollste von zwei Menschen (den Eltern) übertragen, sie vertrauen mir, sie geben ihr Kind an mich ab. Kinder sind nicht nur kleine Menschen, sie sind etwas ganz besonderes, auch was z.B. die Dosierung der Medikamente angeht. Halber Mensch, halbe Ampulle funktioniert da nicht.
Ich bin also stets achtsam, wach, voll da, lasse die Kleinen keinen Moment aus dem Auge. Und diese Mischung aus Verantwortung für den Patienten, Vertrauen von den Eltern, der Ruhe des nachts operierenden Teams und dem Wissen hier ganz konkret geholfen zu haben ist etwas sehr schönes.
Gleichzeitig passierten ein paar hundert Kilometer weiter furchtbare Dinge von denen wir noch nichts wussten.
Lina lag so ganz friedlich da und als alles fertig war habe ich die Medikamente ausgemacht, konnte Lina tief schlafend die Beatmungsmaske  entfernen und sie wurde wach und plapperte fröhlich vor sich hin.
Als ich aus dem OP kam und auf mein Zimmer gehen wollte um den Rest des Fußballspiels und wenigstens die Zusammenfassungen der anderen Spiele schauen zu können sah ich es. Diese Menschen die vor einem Fernseher zusammen sitzen und etwas surreales anschauen. Es war am 11. September 2001 genauso. Damals in der Jugendherberge.
Es war sehr viel Ruhe da in der Ambulanz vor dem Fernseher und es wurde anders als sonst nicht gesprochen.
Der sonst so abstrakte Terror – allenfalls in fernen Ländern mit vielen Wüsten und kryptischen Städtenamen präsent – schafft es sonst ja höchstens mal in die Tagesschau. Suruç, Port El-Kantaoui, Dağlıca, das sind abstrakte Orte mit abstrakten Namen und das was dort passiert bleibt eben abstrakt. Daran ändert auch die Tagesschau nichts.
Aber Paris, das Stade de France, eine Brasserie, das ist sehr konkret. Das ist das Gegenteil von abstrakt und es berührt mich sehr, weil ich wie so viele andere Menschen genau dort schon unterwegs war. Zu wissen, dass an diesem mir bekannten Ort so schlimme Dinge passieren kann mich nicht kalt lassen.
Wenn Hass mit Hass beantwortet wird ist dies ein zutiefst primitives und verachtungwürdiger, barbarischer Akt der Grausamkeit. Bereits entstandenes Leid bei gefrusteten Perspektivlosen potenziert sich durch Terror in den Familien und Angehörigen der durch Rache Betroffenen, Verletzten und Toten. Auf Gewalt mit Gegengewalt zu antworten ist so simpel wie sinnlos, seit tausenden Jahren haben wir da nichts dazugelernt. Keiner kann diesen Krieg gewinnen.
Zu den ersten Eilmeldungen gesellten sich weitere Informationsfetzen und von Minute zu Minute fügte sich ein entsetzliches Mosaik zusammen.
Ich bin aus dem Alter raus in dem ich nach solcherlei Ereignissen mich einfach umdrehen könnte, Augen zu, schlafen. In meinem Kopf waren noch viele Gedanken und der Kontrast zwischen der schlafenden Lina und dem brennenden Paris hätte nicht größer sein können.
Am Morgen dann die Übergabe an den Diensthabenden, von ihm die Frage wie es mir ginge. Paralysiert sei ich, entgegnete ich ihm. Ich schilderte ihm in drei Sätzen und weitaus weniger ausführlich als hier geschrieben, wie ich die Ereignisse des Abends erlebt hatte.
Schroff entgegnete er mir im belehrenden Ton eines vor der Rente stehenden Sportlehrers: Tja, mein lieber Narkosedoc, ich weiß nicht was ihr alle Euch so anstellt. Solange wir unsere T-Shirts von kleinen Kindern in Bangladesch nähen lassen wird es diesen Terror immer geben. Das ist halt so.“
Ich bin auf diese Diskussion nicht eingestiegen, Visite, Übergabe, ab nach Hause.
Im Kern ist die Entstehung des Terrorismus sicher ein multimodales Problem, aber darf man deshalb so abgezockt reagieren? Was muss in und mit einem Menschen passieren damit ihn ein solcher Blutrausch kalt lässt?

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(Ich bitte zu entschuldigen, dass an dieser Stelle vor ein paar Stunden ein bereits terminierter Artikel veröffentlicht wurde – den holen wir bei Gelegenheit nach.)